Die Unterländer legen dem wilden Jäger oder Nachtjäger folgende Sage zugrunde: Vor mehr als hundert Jahren soll in Düdingen ein Pfarrherr gelebt haben, der mehr der Jagd und dem Fischfang als dem Seelenfang nachging. Im edlen Waidwerk war er Meister wie kein zweiter. Aber da war auch ein merkwürdiger Hase, der von des Geistlichen Jagdflinte keine Furcht kannte. Ja, er suchte sogar den Kurgarten heim (Kur = in Freiburg: Pfarrhaus) und tat sich dort am süssen Kohl gütlich oder kostete vom saftigen Salat; was Wunder, wenn darob die robuste Pfarrköchin ganz ausser Rand und Band geriet. So oftmals auch der Pfarrer dem Hasen mit schussfertigem Gewehr auflauerte, nie bekam er den frechen Dieb vors Rohr, oder er war beim Auftauchen des Geistlichen schon ausser Schussweite hinter dem Hag verschwunden. Diese Manöver trieb der schwarze Hase schon längere Zeit hindurch und verursachte dem Pfarrer und der dicken Kathri bittere Stunden des Verdrusses und Ärgers.
An einem Sommersonntag kleidete sich der Pfarrer eben zum Amte an. Gerade hatte er das Messgewand angezogen und die Hand an den goldenen Griff des Kelches gelegt, da stürmte die Köchin fast rasend vor Zorn zur Sakristeitüre herein. Mit feuerrotem Kopf schrie sie: «Herr Pfarrer! kommen Sie schnell, der Hase ist mitten im Kohl.» Nur eine Sekundenlänge besinnt sich der Priester, dann zieht er schnell die heiligen Gewänder aus und folgt der Haushälterin nach. Diese stand schon vor der Haustür und gab dem Herrn das geladene Gewehr in die Hand. Sie zeigte ihm, wo der Hase sich gelagert hatte. Der Geistliche war diesmal fest entschlossen, den ewigen Plackereien des boshaften Hasen ein Ende zu machen. Er eilte dem Flüchtling nach, über Stock und Stein, durch Wiesen und Äcker. Ganz vergass der Pfarrer seine Pflicht, der Seelenhirte seine Schäflein, die indessen teils in der Kirche, teils im Pfarrhaus die Rückkehr des Geistlichen abwarteten, um ihrer Sonntagspflicht zu genügen. Sie warteten vergeblich. Der pflichtvergessene Seelsorger kehrte an dem Tag nicht mehr zurück, auch nicht am folgenden. Er kam nie mehr in sein Dorf. Er blieb verschollen. Niemand erfuhr je eine Kunde von ihm. Er soll auf jener verhängnisvollen Jagd ums Leben gekommen sein. Wegen seiner Jagdleidenschaft muss er als Geist durch die Lüfte jagen. Bald als grüner Jäger, bald als schwarze Schreckgestalt soll er zuweilen sichtbar gewesen sein. Ruhelos muss der verstorbene Pfarrer durch die Lande streifen und so seine Leidenschaft sühnen. Ruhelos muss er jagen bis zum Jüngsten Tag. Auch der schwarze Hase ist im Pfarrgarten nie mehr erschienen seit jenem denkwürdigen Sonntag.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch