Der Grabenteufel

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Zwischen Giffers und Eichholz heisst ein Flurname «Im Chrüz». Am Eingang des Fahrweges zum «Graben» steht seit alters her ein Feldkreuz, zu dem die Pfarrei in der Bittwoche heraufwallt.

Früher soll an dem Platze eine mächtige Schirmtanne gestanden sein, an deren Stamm ein Bild der seligsten Jungfrau hing. Die Stelle ward zur Nachtzeit gemieden. Denn es trieben hier Spukgeister ihr Wesen. Besonders zur Quatemberzeit war ihr Tun bemerkbar. In den Novembernächten hörten die benachbarten Anwohner, wie jemand Baumstämme den Abhang hinabrollte. Man passte dem Störenfried auf, ohne aber seiner habhaft zu werden. Es hatte den Anschein, dass unsichtbare Hände hier am Werk waren und solche Nachtbubenstücke verübten. Ein Geistlicher gab den Rat, wenn man das Rollen der Stämme wieder vernehme, sollten die Horcher den Unsichtbaren anreden und ihn nach seinem Begehr fragen; vielleicht sei es eine Seele, die um Hilfe flehe. Um diese Zeit lebte im «Graben» ein alter Soldat, CHr. Aeby, wegen seines verwilderten Bartes und kohlschwarzen Haares hatte er den Zunamen «Grabenteufel» bekommen. Er hatte im päpstlichen Heere gedient, und für sein tapferes Verhalten zierten ihn mehrere Auszeichnungen. Er gehörte zu jenen Naturen, die nicht so leicht in Furcht geraten. Dieser alte Soldat nahm sich vor, dem Treiben des Geistes nachzugehen und ein Ende des nächtlichen Lärmens herbeizuführen. Er glaubte, vielleicht hänge das nächtliche Geistern mit dem Tode seines verstorbenen Bruders zusammen.

An einem Herbstabend hielt also der «Grabenteufel» hinter einem Strauch Wache und harrte gespannt der kommenden Dinge. Um die Mitternachtsstunde hörte er plötzlich eine Stimme klagen: «Au weh, au weh.» Leise schlich Aeby der Richtung zu, wo die Stimme herkam. Auf einmal hielt er den Schritt an, die Beine versagten ihren Dienst. Auf einem Baumstamm sass die blasse Gestalt seines verstorbenen Bruders. Da stieg dem alten Soldaten doch ein kalter Schauder über den Rücken hinauf. Er, der sich einst mit seinen schweren Fäusten aus den Händen der reformierten Waadtländer losgerissen hatte, so dass sie rechts und links zu Boden purzelten, er, der Unerschrockene, wollte mit Geistern nichts zu tun haben. Der Mut verliess ihn, so dass er den Geist nicht nach seinem Begehr mehr fragen wollte. Schleunigst bekreuzte er sich und floh gehetzt von dannen. Erst daheim in der gut versperrten Stube wagte er aufzuatmen. Lange Zeit sprach er kein Wort über das Gesehene, aber er liess für den verstorbenen Bruder eine Anzahl Messen lesen, worauf die nächtlichen Treibereien im Chrüziholz aufhörten.

 

Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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