Satan und das Weihwasser

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Satan mag das Weihwasser nicht. Darum war's — und ist es noch — frommer Gebrauch — freilich nicht nach neuerem Geschmacke — Weihwasser in den Wohnstuben zu haben und fleissig sich damit zu bezeichnen.

Ja vor Kreuz und Weihwasser hat der Teufel Respekt. Im Zorn übergab einmal ein Vater sein Töchterlein dem Bösen. Als dieser dasselbe abholen wollte, hatte die Mutter den glücklichen Einfall, ihr Kind mit Weihwasser zu überschütten. Nur ein paar schöne Haarlocken blieben trocken — und diese riss dann Satan aus und fort.

Einem andern bedrängten Hausvater, der nur ein liebes Töchterlein hatte, versprach Satan eine hübsche Summe, wenn er um Mitternacht abholen könne, was bei seiner Heimkehr hinter der Haustüre sich finde. Der unvorsichtige Vater, der da nur wertloses Hausgerümpel vermutete, willigte ein und nahm das Geld freudig in Empfang. — Aber o weh! Er fand da gerade sein liebes Kind. — Weil er das Geld empfangen, musste er Wort halten; — er ward kleinlaut und verzagt und getraute sich nicht mehr sein Kind anzublicken, noch weniger mit demselben zu reden.

Um Mittemacht pochte es heftig an die Hauschüre. Der Vater erschrak, weckte das schlafende Töchterlein und sprach: «Steh auf, mein Kind, und schau, wer da ist.» Ungern tat's das Mädchen, weil's ihm unheimlich vorkam; doch wollte es dem Vater nicht ungehorsam sein, stand auf, legte Kleider an und — nachdem es sich mit Weihwasser fromm bezeichnet — öffnete die Türe. Aber niemand war da. — Kaum war es wieder zu Bette, da pochte es wieder und das Kind tat wie das erste Mal und fand niemanden. Beim dritten Male ging es sogar zum Hause heraus, um dasselbe herum und suchte überall vergebens nach dem geheimnisvollen Klopfer.

Tags darauf gab Satan dem Vater einen Verweis und den Geheiss, das dumme Weihwasser aus dem Hause zu schaffen. Aber dieser antwortete: «Das haben wir miteinander nicht gemertet!»

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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