Eine alte ledige Weibsperson, so wird aus dem Gommertale erzählt, wohnte allein in ihrem Hause mitten in einem Dorfe. Sie war sehr fromm, betete viel und hielt mit allen Leuten ungestörten Frieden. Lange Jahre war Spinnen ihre Hauptbeschäftigung, weil zu andern Arbeiten ihr die Kräfte oder die Geschicklichkeit fehlten.
Als sie nach Jahren gestorben und ihr Haus unbewohnt blieb, kam die alte Spinnerin darin dennoch zum Vorschein; man sah sie oft auf einer Laube am altgewohnten Platze eifrig fortspinnen.
Die Erscheinung konnte nicht in Zweifel gezogen werden und erregte grosses Aufsehen. Als der Pfarrer von der Geschichte auch hörte, befahl er, man solle ihn gleich rufen, wenn die Spinnerin noch mehr sollte gesehen werden. Und es währte nicht lange und der Geist spann wieder eifrig auf der Vorlaube. Als aber der Pfarrer kam, machte sich die Spinnerin gleich auf und ins Haus zurück; er konnte sie nur noch am Rücken erblicken. Gleich befahl der Pfarrer das Haus zu öffnen und ging mit einigen Herzhaften hinein, um die Sache näher zu untersuchen. Das ganze Haus war leer gefunden. Nach langem Suchen fand aber der Pfarrer die Spinnerin in der Wohnstube unter einem alten Bette zuhinterst an der Wand zusammengekauert. Auf sein Geheiss kroch dieselbe sehr kleinlaut hervor und erklärte vor allen Anwesenden, sie wäre der Satan, der diesen Spuk getrieben, um die Leute zu verleiten, über die fromme Spinnerin allerhand böse Urteile zu fällen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch