In der Voralpe Rouaz im Sanetschtale, so wird erzählt, ward einst ein lustiger Nachttanz verabredet. Zur bestimmten Zeit sollten darum die Tänzer und Tänzerinnen aus der Umgegend dort zusammenkommen. Auch aus der Voralpe am Fusse des Sanetsch, wollten junge Leute an der Belustigung teilnehmen und zogen miteinander in Gesellschaft dahin. Als diese den Wald durchschritten, welcher die beiden Voralpen teilt, fingen sie zu singen und zu jauchzen an. Hoch aus dem Walde ward ihnen in gleichem Tone geantwortet. Sie verwunderten sich darüber nicht wenig, weil sie in dieser unbewohnten Gegend zur Nachtzeit keine Menschen vermuten konnten. Dennoch glaubten sie sicher, es sei anderes Tanzvolk, das auch zum Tanze komme; darum setzten sie ihr Jauchzen und Singen munter fort. Und ebenso munter wurde ihnen stets geantwortet in einem Tone, der sich ihnen schnellen Schrittes zu nähern schien. Aber wie sehr erschraken sie, als sie eine Masse Volkes in langen Reihen heraneilen sahen. Ihr Mund hatte das lustige Jauchzen auf einmal vergessen, kein Laut war mehr zu hören. — Einer aus den Ankommenden trat an die Erschrockenen heran und sprach voll zürnenden Ernstes: «Wenn nicht einer unter Euch ein Kreuzlein mit sich in der Tasche trüge, so würdet ihr alle an den Haaren zur Morse herabgezogen, da zu Sand zerrieben und zum Tal hinausgespült werden.»
Entsetzt kehrte das Tänzervolk gleich um und unter Gebet nach Hause zurück.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch