Die roten Strümpfe

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Im Osten der Stadt Sitten erheben sich zwei Hügel gegen Himmel, Tourbillon und Valeria. Zwischen diesen Hügeln lag die uralte Stadt mit festen Mauern umgeben, die auf der Morgenseite zum Teil noch stehen. Wo die neue Stadt heute gegen Morgen ungefähr endet, da endete die alte gegen Abend — das alte Stadttor war bis auf die jüngste Zeit zu sehen und die Häuser unter demselben bis zur Sitte bildeten die ehemalige Vorstadt.

Auf Tourbillon, durch künstlich abschneidbare Zugänge mit dem Schloss Majoria verbunden, wohnten die Bischöfe von Wallis; auf Valeria das Domkapitel, und das Stadt- und Landvolk hatte eine Kirche bei St. Peter an der Südseite des jetzigen Theater-Gebäudes. Diese Kirche wurde vollends eingerissen, als die neue schöne Kollegiumskirche gebaut wurde. Eine unglückliche, vielverheerende Feuersbrunst zerstörte am 24. Mai 1788 die Schlösser Majoria und Tourbillon. Das Feuer brach in der oberen Stadt aus,* ergriff das nahe stehende Schloss Majoria und entzündete, sonderbarer weise, auch das ziemlich entfernte, hochliegende Schloss Tourbillon. Die Sage erzählt, das Feuer sei brennend durch das dürre Gras des Hügels hinaufgezogen und, wo Felsenvorsprünge und Mauern die Fahrt abschlossen, seien die Flammen hinaufgesprungen wie vom Boden auffliegende Vögel. — In Tourbillon wurden die Archive des Bischofes und des Landes eingeäschert — ein für die Geschichte des Walliserlandes unersetzbarer Schaden!

Die Ruinen des Schlosses Tourbillon stehen noch und werden noch lange vom einstigen Bischofssitze Zeugnis geben, wenn nicht an der Geschichte frevelhafte Hand selbe absichtlich vollends zerstört. — Auf der Morgenseite dieser Ruinen breitet sich eine kleine Ebene aus, für Spaziergänge gut geeignet. Die Rundschau ins Tal herab und um's Land herum ist da schön. — Die Sage lässt nun auf dieser Ebene in dunkler Nacht, auch selbst beim silbernen Mondlichte, zwei finstere Gestalten ernstlich, — emsig, — unermüdet auf und ab spazieren. Natürlich trägt eine derselben — rote Strümpfe.

In unseren Tagen sind die roten Strümpfe nicht mehr auszeichnend und noch weniger eine Seltenheit; man findet sie nicht nur in Schlössern, auch in Theater, in Kasinos, in Soirées, usf.— Kurz, Kappen und rote Strümpfe erscheinen nun auf allen Gassen und Strassen zur Genüge und sollen dennoch ziemlich gesuchte Artikel bleiben.

 

*Es geht die Sage, eine Hausmutter habe in der Kirchgasse Butter gesotten. Als derselbe zu wallen begann, fingen die Kinder in der Stube grossen Lärm an. Gleich eilte sie hin, verweilte aber zu lange bei den schreienden Kleinen, dass sie zurückkehrend den Butter in Flammen und die Küche voll Feuer traf.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)