Als der Bischof v. Preux, seligen Andenkens, noch Pfarrer in Siders war, wurde er einmal in der Nacht nach Noës — einem Dörfchen unter Siders zwischen der Fahrstrasse und der Eisenbahn — zu einem Schwerkranken gerufen Der Pfarrer trug Bedenken zu gehen, weil Noës nicht zu seiner Pfarrei, aber zu Gradetsch gehörte; auf die Bemerkung jedoch, es sei nicht mehr Zeit, auf langen Umwegen den zuständigen Pfarrer aufzusuchen, folgte er der Einladung.
Das Dörfchen Noës wird nur zur Zeit der Rebarbeiten von Bauern aus Eifisch bewohnt und war eben menschenleer. Um nicht bestohlen zu werden, tragen diese Leute bei der Abreise alles wieder fort und hinterlassen in den Hütten nur grob gezimmerte Bänke und leere Bettstätten. In ein solch leeres Stübchen wurde nun unser Pfarrer geführt, wo er einen Kranken auf den Brettern einer Bettstatt antraf. Der Begleiter stellte das Licht in eine Ecke, machte sich davon und kam nicht mehr zum Vorschein. Auf die Ermunterung des Pfarrers begann der Kranke gleich die gröbsten Fehler seines Lebens zu offenbaren, verstiess aber hartnäckig jeden Trost und jede Hoffnung auf Verzeihung. Lästernd und fluchend gab er seinen Geist auf, worauf ein entsetzliches Heulen und Krachen das Gemach erfüllte — alle Wände schienen zu bersten und selbst der Stubenofen ging aus den Fugen.
Der erschrockene Pfarrer, dem inzwischen das Licht ausbrannte, musste im Finstern einen Ausweg suchen und allein nach Hause zurückkehren, wo er bei grauendem Tage wieder anlangte. Gleich sandte er zwei Männer ab, um den Toten aufzusuchen. Diese fanden aber im ganzen Dorfe weder lebende Menschen, noch irgendwelche Spur von einer Leiche. Auch wollte in der ganzen Umgegend niemand von einer gestorbenen oder vermissten Person etwas wissen. Hat da der Teufel alles mit Leib und Seele davongetragen, oder war das Ganze nur ein Geisterspuk?
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch