Es ist traurig und für den Landanbauer sehr entmutigend, wenn die Früchte im Felde nicht sicher stehen. Der gute Pflanzer könnte nämlich den Boden mit schwerem Gelde ankaufen oder verzinsen, dem Staate und der Gemeinde bedeutende Abgaben zahlen, die manigfachsten Auslagen, Mühe, Arbeit, Schweiss und Geld anwenden und am Ende vom teuern Liede sollte ihm die heisserwartete Frucht in einer Nacht sauber weggestohlen werden? Wer ernten will ohne gepflanzt zu haben, mag sich elegant und hoch glauben so viel er will, — er ist und bleibt unter den Menschen ein Scheusal! Das war in der Welt schon lange so und wird noch länger so bleiben. — Um dem Übel so viel möglich vorzubeugen, werden Feldhüter bestellt, die, wenn sie den Zweck erreichen wollen, ein saures Stück Arbeit haben und, besonders zur Nachtzeit, mancher Täuschung und Gefahr unterliegen.
In Savièse wird von einem Feldhüter erzählt, dass er einmal in der Nacht ein entlaufenes Pferd mitten in einem schönen Kornfelde habe grasen gesehen. Gleich ging er darauf los, um selbes wieder einzufangen; doch er konnte es nicht einholen. In kleiner Entfernung vor ihm eilte das Pferd immer voran, rechts und links mit vollem Maule die Kornähren wegschnappend. Das ging so lange hin und her und auf und ab. Auf einmal schnaubte ihn das Pferd ergrimmt an und fuhr auf, in immer mächtigeren Sprüngen, die zuletzt ganze Kornfelder übersetzten, wild davon galoppierend.
Und sieh! Es begann der Tag zu grauen und unser pflichtgetreuer Flurhüter erwachte, wie aus einem Traume, tief im Walde des Berges Prabé. Er untersuchte das beschädigte Kornfeld, fand aber nur seine eigenen Fusstritte und von einem Pferde weder Spuren noch irgendwelche Beschädigung. Nach Hause zurückgekehrt ward er vor Schrecken — die Leute meinen, weil ihn die Hexe wild angeschnaubt — für einige Tage krank.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch