(Zermatt)
Die Grieskumme ist eine Hochalpe, welche im Sommer die galten Rinder und im Herbst eine Menge Schafe ernähren kann. Vor Jahrhunderten, wo die reitzenden Tiere keine Seltenheit und die Hexenprozesse an der Tagesordnung waren, hiess es auf einmal, der Wolf sei in der Grieskumme unter den Schafen aufgetreten und hause erbärmlich. Sogleich veranstaltete man eine grosse Treibjagd. Wirklich fanden die Jäger mitten unter den Schafen den Wolf, dem sie den Tod schwuren und sich auf seinen Pelz schon innig freuten.
Vorsichtig umschlossen die zahlreichen Jäger in weiten Kreisen das Raubtier und stürmten ringsherum auf dasselbe los. Doch der Wolf war entschwunden und keine Spur von ihm zu entdecken. Unwillig und achselzuckend kehrten die Jäger mit ihren Sensen, Gabeln, Äxten und allerhand Mordinstrumenten heim. Nur einer blieb zurück, der sich auf einen Baumstock setzte und aus seinem Zehrsack das Abendbrot hervorsuchte. Während dem Essen spielte er mit seinem Sackmesser am Stocke herum und hämmerte mit dessen Spitze zum Zeitvertreib auf denselben. Endlich packte er auch zusammen und ging nach Hause.
Nach wenig Jahren wurde einer Hexe der Prozess gemacht. Als man sie eben auf den Scheiterhaufen werfen wollte, erzählte sie lachend, wie sie einst die Zermatter in der Grieskummen zum Besten gehabt habe. Als Wolf habe sie wirklich die Schafe gestört, aber sich dann bei der Treibjagd in den Stock verwandelt, auf dem der Letzte das Abendbrot genommen und sie mit dem Sackmesser so übel traktiert habe.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch