Vor alter Zeit, so geht die Sage, soll die schöne, grosse und futterreiche Belalpe, im Natersberge, zwei glücklichen Brüdern angehört haben. Weil sie in der gemeinschaftlichen Abätzung oft miteinander zankten, kamen sie überein, die Alpe zu teilen; und zwar verabredeten sie, beide Brüder sollen zu gleicher Zeit von Naters abgehen, der eine rechts, der andere links hinauf und oben wieder zusammen kommen. Der Ort, wo die Brüder einander begegnen würden, solle die Mittelgrenze zwischen den zu teilenden Alpen werden.
Beide machten sich so, laut Verabredung, auf die Strasse. Der Bruder, der links hinauf über Birgisch ging, handelte redlich und hielt sich am vorgezeichneten Wege fest. Nicht so der andere Bruder. Anstatt gegen Aletsch hinan zu steigen, ging er geraden Wegs hinauf in die Belalpe und verkürzte so seinen Bruder grob, dem er nun in der "tiefen Schlucht", ungefähr in der Mitte zwischen Belalp und Nessel, begegnete. So soll diese Alpgrenze gesetzt worden sein. Doch das so artige Teilen befriedigte den betrogenen Bruder nicht. Die Brüder gerieten miteinander in heftigen Streit. Angekommen beim grossen Stein in "Kapbag" — zuunterst in den Belalpmatten — prügelten sie einander so gewaltig, dass beide Brüder sterben mussten. Auf den Stein wurde die Jahreszahl 121 gesetzt, die noch zu lesen ist, und an diesen Brudermord erinnern soll.
Schon die arabischen Zahlen sagen, dass 121 nicht die vollständige und richtige Jahreszahl angeben kann. — Eine andere Sage erklärt, bei diesem Steine sei ein Kaspar Eier, Bitscher, gestorben, dem ein Kreuz und die Jahreszahl in den Stein sei eingegraben worden, welche freilich nur verstümmelt noch zu Tage kommt. — Was die Alpteilung selbst betrifft, ist diese allerdings sehr unbrüderlich zu nennen. Wird aber Rücksicht genommen auf die Wintergüter, die ihr Alprecht im Nessel und in Bel, Lusgen und Aletsch haben, so schwindet das Unbillige der Teilung auch völlig dahin.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch