In den Voralpen des Sanetschtales zeigt, zwischen Garey und Malonnaz, loses Steingeröll die Spuren eines alten Bergsturzes. Die Sage erzählt, es habe da einst ein reicher Bauer in einem stattlichen Hause gewohnt. Seine Keller seien so voll Käs gewesen, dass er damit ganze Strecken Strasse hätte pflastern können. Dabei war er aber so geizig, dass er den Hausleuten kaum das Essen gönnte und sehr hartherzig tat gegen Arme.
Eines Tages zog ein altes Mütterlein des Weges und bat beim Hause des Reichen um etwas Brot und Milch, weil es erschöpft die mühsame Reise nicht fortsetzen könne. Der Reiche wies selbes trotzig ab und schlug vor dem Bettelgesind krachend die Türe zu. Erschrocken fiel das Mütterlein kraftlos zu Boden. Da kam des gleichen Weges ein armer Mann und sah das Weiblein am Boden liegen; er erbarmte sich seiner und teilte mit ihm ein Stücklein hartes Brot, das er in der Tasche trug. Sie assen und tranken miteinander am Brünnlein, das neben dem Hause des Reichen quoll, und zogen dann langsam weiter. Beim Weggehen warf das Mütterchen noch einen wehmütigen Blick auf die Wohnung des hartherzigen Reichen.
Kurze Zeit darauf erhoben sich fürchterliche Stürme, mit Donner, Blitz und Erdbeben begleitet. Zitternd verkroch sich jeder in seiner Wohnung; nur der Reiche sah höhnisch dem Saus und Braus der Elemente zu. Aber nicht lange. Vom Bergesgipfel lösten sich grosse Stein- und Geröllmassen ab und stürzten zu Tal. Die schöne Voralpe war verloren und von des Reichen Wohnung keine Spur mehr zu finden.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch