In St. Niklaus, auf dem Bort, am südlichen Ufer des Riedbaches, so wird erzählt, wohnte einst ein Richter allein mit seinen zwei Töchtern, die er wohl versorgt und gut verheiratet wünschte. Er sah es darum gerne, wenn selbe von reichen Junggesellen recht viele Besuche erhielten. Sehr gut gelaunt wurde er daher jedes Mal, so oft er in späten Abendsitzstunden, von St. Niklaus-Dorf aus, in seinem Hause auf dem Bort helles Licht bemerkte, weil er dann bei seinen Töchtern gewünschte Gesellschaft vermutete. War aber auf dem Bort alles finster, so kehrte auch der Richter, gewöhnlich in später Stunde, sehr mürrisch und verzagt heim.
Um seine Töchter reicher und darum auch gesuchter zu machen, lebte er sehr knauserig und behandelte die Angeklagten sehr strenge, um etwas Ordentliches zu erwerben. — Eine sonst unbescholtene Weibsperson hatte einmal bei böser Witterung für ihre kleine Viehherde grosse Futternot. Ihre Bitten um Aushülfe wurden überall abgewiesen. In der Verzweiflung nahm sie darum einem Nachbarn eine Vorschos voll Heu, um ihr hungerndes Vieh vom Tode zu retten. Angeklagt vor unserm strengen Richter, wurde sie gleich zum Tode verurteilt, der dann als Blutlohn eine schöne Wiese an seinem Hause auf dem Bort erbte, was schon lange sein heisser Wunsch gewesen.
Doch das strenge Urteil schien dem Richter im Jenseits schwer gelegen zu haben; — auf dem Bort ist es seither unheimlich geworden. Mitten in finsterer Nacht werden da noch Lichter gesehen, obschon kein Gebäude mehr dasteht. Ein schwarzer Widder kommt aus dem Tenierwald hervor und pflegt die Leute bis zum Wichelsteg zu begleiten.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch