Stephan Heinzmann von Visperterminen, der am Anfange des vorigen Jahrhunderts lebte, verspätete sich einmal in Brig bei Geschäften so sehr, dass er erst in der Nacht heimkehren konnte. In den "Rohrflienen" überfiel ihn ein Strolch, der Geld oder Blut abforderte. Heinzmann stellte sich gleichgültig und selbst bereit, sein Geld in den Taschen zu suchen, bekam aber dabei Gelegenheit, den Angreifer an der rechten Hand zu ergreifen und sehr ernsthaft zu packen. «Gut!» sagte er ihm, «dass ich einen Reisekameraden bekomme; ich gehe nicht gerne allein.» Damit zog er ihn mit sich fort, ihm noch verdeutend, wenn er den geringsten Mux mache, werde er ihn augenblicklich maustotschlagen. Der Schelm fühlte die Überlegenheit seines Gegners gar zu gut und folgte ohne Widerstand.
Als sie miteinander Hand in Hand in Visp anlangten, überlegte Heinzmann, was er nun mit dem Schurken anfangen wolle. Ihn der Obrigkeit ausliefern half nichts, er hätte keine Zeugen und konnte keine Gewalttat aufweisen. Darum gab er ihm einen angemessenen Fusstritt auf seinen Unaussprechlichen und schickte ihn heim, beifügend: «Ich danke für deine Gesellschaft; hier brauche ich dich nicht mehr.» — «Mir hast du nichts zu danken», meinte der Heimgeschickte, «aber alles der Zangenkraft deines Arms.» Heinzmann fand seine Hand mit Blut überronnen, zum sichern Zeichen, dass der Schelm dasselbe unter den Nägeln hervorgeschwitzt habe. Er liess aus Dankbarkeit für die glückliche Rettung in der Waldkapelle eine Votivtafel aufhängen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch