Sehr schön und naiv erwähnt Hr. R. Ritz im Jahrbuche des schweiz. Alpenklubs 1869 einige Sagen des Eringertales *) — Die Vuivra, so wird erzählt, ist ein fliegendes Ungetüm, das eine Krone auf dem Haupte trägt, Feuer zu Flügeln hat und am Körper einem Drachen gleicht. Es nährt sich von Goldsand, den es auf dem Grunde der drei grössern Bergseen abwechselnd aufwühlt und aufspeist. Ist die Grundfläche des einen Sees ausgebeutet, so erhebt es sich aus dem Wasser in die Luft und eilt in schauerlichem Fluge einem andern See zu, um da wieder den Goldsand aufzuweiden, den die Wasser während seiner Abwesenheit neuerdings ansammelten. Der Fall kann nun eintreffen, dass das gefrässige Ungeheuer, unter festem Eise eingeschlossen, den Winter zu lange findet und manchmal nur noch magere Fassnacht hat. Darum führt es dann gegen die harte Eiskruste solche Kraftstreiche, dass Berg und Tal davon ringsum mächtig erdröhnen.
Ferner sprengt ein wilder Reiter — Cavalier — im Eringertal durch die Lüfte; man hört deutlich das Waffengeklirr und der Hufe Gestampf. Zu Land aber stört die Ruhe der Talbewohner ein roter Stier, dem ein schwarzes Hündchen folgt; er brüllt so furchtbar, dass selbst das Küchengeschirr zu wackeln anfängt. Auch ein grosses Mutterschwein, dem zwölf Ferkel nachlaufen, zieht im Tal herum. Im Schnee findet man nicht selten die roten Spuren. Wer diesen folgt, der ist verloren.
*) Val d'Hérens
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch