Nahe dem sogenannten «Dörfchen», unter der Pfarrkirche in Emd, stand auf einem Felsenrande ein grosses fest aufgemauertes, turmartiges Haus mit mehreren Zimmern, Sälen und geräumigen Wohnungen. Man nannte es «z'Roten Turmhaus». Das grosse Erdbeben von 1855 lockerte das Felsenfundament so, dass die Hälfte des Hauses abbrach und in den Abgrund stürzte. Seither fiel der Rest auch noch zusammen und auf der obern Fundamentmauer ist jetzt ein neues Wohnhaus, nach Art der übrigen Berghäuser, aufgebaut.
Das alte Turmhaus war der Sitz einer Familie «z'Roten», welche in der Umgegend bedeutende Besitzungen an Zehnten, Gülten und Grundstücken hatte, sich aber später nach Raron verzweigte, wo selbe noch rühmlichst fortlebt.
Das alte feste Steingebäude, wie die Sage erzählt, stand ehemals mitten in einem Dorfe, dem ein Bergsturz Grund und Boden wegriss. Am Fusse des einstürzenden Felsens lag die Gemeinde «Brunneggen», von der noch in alten Schriften zu lesen, jetzt aber vergraben liegt unter hohem Schutt, der «im Bruch» heisst.
Auch hier war es ein grauser Drache, der da in den Felsen nistete, selbe unterwühlte, zernagte und zu Tal stürzen machte. Er zog die Leute mit seinem giftigen Hauche an und verödete so die Gegend; selbst die Talstrasse musste vom westlichen Vispenufer auf das östliche hinüber verlegt werden, weil der Drache seine Anziehungskraft nicht über das laufende Wasser der Vispe auszudehnen vermochte. Glücklicherweise wurde dieses Ungetier hier beim Bergsturze erschlagen; ein herabstürzendes Felsenstück zerquetschte ihm den Kopf. — Schafhirten wollen später die gewaltigen Gebeine und Knochen des verendeten Drachen gefunden haben und behaupten, sieben Schafe hätten Platz genug gefunden, in seinem Hohlgerippe bequem zu «hitzen».
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch