Die gemütlichen Bewohner der Stadt Sitten lieben den schönen Mayenberg sehr und ziehen im Sommer scharenweise mit Frau und Kindern hinauf, um da der frischeren Fluren- und Wald-Luft zu geniessen. Sie glauben selbst, in der Welt könne es kaum etwas Schöneres geben als ihre Mayen und gelbbefiederte Touristen würden in Menge da hinauf wallen, wenn eine ordentliche Fahrstrasse und komfortable Hotels ihnen zur Verfügung ständen. — Mit Geld könnte man allerdings Strassen und Gasthäuser hervorzaubern; weniger servil sind jedoch die freizügigen Gelbvögel, die schon manchen Spekulanten ziemlich arg gefoppt haben.
Bei der zahlreichen Sommerbevölkerung des Mayenberges liegt es auf der Hand, dass, um den Pflichten des Christen nachkommen zu können, ein bequem zugängliches Bethaus Not tat. Sieben Männer — sie stehen abgebildet im Altarbilde — fassten den frommen Entschluss, eine Kapelle zu bauen. Dazu fehlte aber am ganzen Berge tauglicher Mörtelsand. Als die Stifter auf der Hofstatt berateten, wie diesem Übelstande abzuhelfen wäre, gesellte sich zu ihnen ein Unbekannter, den weder vor noch nachher jemand wollte gesehen haben, und wies ihnen ganz in der Nähe einen grossen Stein an, unter dem sie Sand genug bekämen. Und wirklich! der tauglichste Bausand kam da zum Vorschein. — Als der Bau vollendet dastand, war auch die Sandgrube erschöpft und keine Handvoll mehr zu bekommen. — Die Kapelle erhielt den Titel: "Maria zum guten Rat" (1776)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch