Ungefähr eine Stunde ob dem Pfarrdorfe in Visperterminen befindet sich mitten in einem romantischen Walde ein Bethaus, die St.-Josephs-Kapelle geheissen. So entlegen in eine Alpenregion hingebaut verdankt es seinen Ursprung folgender Begebenheit:
Ein Mann, sein Name ist noch gekannt, obwohl rechtschaffen und brav, ward in solchem Grade geisteskrank, dass er den traurigen Entschluss fasste, sich selbst zu erhängen. Er nahm darum einen Strick und eilte damit hoch in den Wald hinauf. Angekommen an einer Stelle, die ihm für sein schlimmes Vorhaben passend schien, durchlief es ihn eiskalt durch alle Glieder. Dem ungeachtet wollte er ans Werk, doch vorerst noch ein "Vaterunser" beten. Er kniete nieder und begann zu beten. Da gewahrte er auf dem untersten Aste eines nahen Lerchbaumes ein grünes Männlein, das ihm einen langen Strick herabreichte und darbot. Erschrocken erkannte er nun gleich die ganze Bosheit und die schrecklichen Folgen seines argen Vorhabens; bereute darum dasselbe ernstlich und tat Gott Abbitte. Auf ein gemachtes Kreuzzeichen entschwand der Böse gleich seinen Augen und er atmete wieder leichter. Bevor er jedoch den Ort verliess, machte er das Gelübde, aus Dankbarkeit für seine wunderbare Rettung zur Ehre des Hl. Josephs dort ein Bethaus zu errichten. Genesen an Leib und Seele hielt er Wort.
(erzählt von Herrn Pfarrer Studer daselbst)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch