Der Bala-Bach

Land: Schweiz
Region: Goms
Kategorie: Sage

Zwischen Fiesch und Bellwald steht am Rande eines Abhanges der freundliche Weiler Bodmen, der ins Fieschertal eine herrliche Aussicht gewährt. Unweit davon vertieft sich eine Schlucht, durch welche der sogenannte Bala-Bach herabfliesst. Ehe man aber in die Schlucht gelangt, begegnet man einer kleinen Kapelle, in welcher die Muttergottes verehrt wird. Und wenn die Bergbewohner nach Bodmen gehen wollen, pflegen sie in der Kirche einige Ave zu Ehren Mariens zu sprechen, umso mehr da die Schlucht wegen des unheimlichen Gratzuges berüchtigt ist, der hier von der Höhe zur Tiefe fährt. Ein solcher, der in dieser Kapelle beim Vorübergehen vor dem Muttergottesbilde zu beten nie unterliess, war ein gewisser Fortnaz, ein frommer und rechtschaffener Mann. Es mochte noch so stürmen und regnen, sobald Fortnaz zu dieser Kapelle kam, begrüsste er immer mit einem Englischen Grusse Maria. Einst war es schon tief in der Nacht, als er dort vorüber musste, und dringender Geschäfte halben war er sehr pressiert; aber auch diesmal unterliess er seine gewöhnliche Andacht dort nicht. — Und seht, als er den Schritt auf die Brücke setzen wollte, die über den Bala-Bach führt, hört er von ferne ein furchtbares Getümmel, das blitzschnell zu ihm herannahte, und wie er in die Schlucht hinaufsehen wollte, erblickte er vor sich eine lange Prozession, an deren Spitze ein gewaltiges Tier stand. Gähnend sperrte dieses Tier den Rachen gegen ihn auf, um ihn zu verschlingen, aber eine höhere Macht verhinderte es; dann stürzte es unter entsetzlichem Grunzen durch die Tiefe in die tiefe Schlucht hinab. — Hinter dem Tiere folgten in hastiger Eile Männer und Frauen, Kinder und Greise, — Menschen aus allen Ständen und Gegenden und erhoben insgesamt ein Lärmen und Getöse, dass er so was nie gehört hatte. Er glaubte einige von selben zu kennen. Gerne hätte er mit ihnen gesprochen, aber die eilende Hast, mit der sie vorüberrauschten, liess es nicht zu; er konnte nur mit Entsetzen ihnen nachschauen. Aber der Letzte blieb bei der Brücke vor dem Fortnaz stehen und sagte ihm: «Wisse, dies ist der Gratzug, der jahraus jahrein, bei Tag und Nacht, sonder Rast und Ruh über Gebirg und Tal und alle Länder zieht und zum Zweck hat, die Menschen zu verderben. Dich hätte das Tier auch verschlungen, wenn du nicht gebetet und Maria dir nicht geholfen hätte. — Aber ich muss eilen, — denn meine Gesellschafft ist schon tausend Meilen vorangeschritten. O wehe mir, dass ich mit einem solchen Zuge laufen muss!» — und der Mann verschwand. Der grosse Schrecken brachte den Fortnaz in eine schwere Krankheit und er hat von diesem Ereignis nur mit Angst erzählt, wenn er darüber gefragt wurde.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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