Hoch droben auf dem Matterberg ist eine Stelle, die aber keiner, oder doch gar selten, einer finden kann, die hat der laufende Jud nicht mit verwünschen können, weil sie von Gott geweiht ist von Anbeginn. Da ist kein Schnee und kein Eis, da ist Sonne und Freude, Wonne und Weide; da quillt erst eigentlich mit leisem Gewisper die Vispe hervor, die später erst unter dem Alpgletscher zu Tage rinnt, dort ist das Paradies der Tiere. Da gibt es herrliche Steinböcke und Gemsen, Adler und Geier, Schneehühner und Birkhähne, auch Murmeltiere, und keines beleidiget das andere, alle leben da friedlich beisammen. Nur alle dreimal sieben Jahre, darf und kann ein Menschenauge in dieses Paradies der Alpentierwelt blicken, wo es so wonnevoll und schön ist, alles voll Alpenrosen und Gentianen, und von zwanzig Gemsjägern, glückt das auch kaum einem einzigen. Da stehen uralte Pinienbäume und Ahorne, und die Pinien tragen Zapfen, deren Kern süss schmeckt, wie Mandeln, das sind die Zirbelnüsse. Wem es glückt in das Paradies der Tiere zu treten, der darf wohl von den Zirbelnüssen nehmen und kosten, aber nimmer mehr ein Tier fangen oder töten, sonst kostet es ihm das Leben. Viele haben in die uralten heiligen Plantanenstämme, zum Zeichen ihres Alldagewesenseins, ihre Namen geschnitten. Ausserdem sieht man selten noch einen Steinbock, und selten eine Pinie und die stehen hoch und schwer erreichbar. Denn es geht die Sage, dass es zwar deren viele und überall gegeben habe, da aber die Dienerschaft immer gern die Nüsse genascht und mit Auskernen viele gute Zeit hingebracht und versäumt, da habe die Meisterschaft diese Bäume verwünscht, und nun seien sie unfruchtbar geworden oder unzugänglich.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch