Von sogenannten Hexen und Strideln werden noch manche drolligen Sagen erzählt, wie sie z. B. den Menschen geschadet und denselben auf mancherlei Weise zum Besten gehabt hätten; diese Schelmenstreiche so lange fortsetzten, bis sie endlich dieselbe auf dem Scheiterhaufen zahlen mussten. Hier werden noch in der Mitte von schönen Wiesen zwei ungeheure Felsblöcke gezeigt, die eine Hexe auf dem Kopfe dahin soll getragen haben, obgleich sie wegen dem ungeheuren Gewichte ihren schlanken und aufrechten Gang nicht im mindesten veränderte; ja sogar darunter noch emsig soll gestrickt haben. Eine eigentümliche Sage knüpft sich der in den Bächen am Fusse des Riffelberges wohnenden Hexe an. Diese hauste in der nun sehr bekannten Riffelgegend ziemlich arg. Mit einer weissen Schürze (Vorschoss) soll sie hoch oben auf dem Riffelberg auf den Boden geschlagen und damit auch im Sommer verschiedene Lawinen in Bewegung gesetzt haben, die dann donnernd von den Bergen hinabstürzten, in der Ebene alles verwüsteten und so dem Landmanne manchen Kummer verursachten und viele Tränen entlockten. Dieses unheimlichen Treibens überdrüssig, machte man Anstalt, die Hexe einzufangen. Man dachte einen Zeitpunkt aus, wo die Hexe gänzliche Sicherheit hoffen konnte. Sie muss jedoch von einer ihr drohenden Gefahr etwas gemerkt haben; allein zu spät, denn sie hatte nicht mehr Zeit, sich aus dem Hause zu flüchten. Was tat selbe? Ein fein ausgedachter Betrug sollte sie noch retten. Sie zog den Rosenkranz hervor und fing hinter dem Ofen laut an zu beten. In dieser Stellung traf man sie an; sie rief den Eintretenden die Worte zu: «Ihr findet mich an einem guten Werke!» Nichts desto weniger wurde sie ergriffen, auf einen Schlitten festgebunden und ins Dorf hinabgeschleppt, um der Obrigkeit ausgeliefert zu werden. Unterwegs bat sie die Häscher, man möchte ihr erlauben, die Schuhriemen wieder festzubinden, so sich aufgelöst hatten. Zum Glück verweigerte man ihr dies, denn man hätte es teuer bezahlen müssen. Die Hexe bekannte vor dem Feuertode, wäre ihr dies erlaubt worden und hätte sie mit ihren Füssen die Erde nochmal berühren können, so hätte sie Kraft bekommen, ihren Händen zu entwischen; ja sie hätte mit ihren scharfbenagelten Schuhen ihnen nicht nur die Zähne eingeschlagen aber die Schädel zerschmettert.
(erzählt von Herrn Kaplan Mooser)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch