Zur Zeit, als von Hexen und Strideln und deren Unfug noch viel die Rede war, hielt, die Zermattergemeinde einen Gemeintrunk. — Da sitzen Männer und Jünglinge gemütlich zusammen im Gemeindehause und verleben einen frohen Abend; unlieb ist es darum allemal, wenn ein solch Zusammenleben irgendwie gestört wird. — Kaum war aber diesmal die Gesellschaft beisammen und die ersten Becher eingeschenkt, hiess es mit Schrecken, am Stafel sei ein Untier sichtbar geworden und man dürfe die Schafe nicht ohne Aufsicht lassen, wenn man nicht Schaden haben wolle. Weil niemand gerne das Gemeindehaus verliess, erboten sich die ledigen Töchter, für die Nacht Wache zu halten. Damit waren alle wohl zufrieden und eine Schar mutiger Mädchen stieg in die Alpe hinauf. Diese fanden aber gar nichts Feindseliges; bezogen darum, weil es eine kalte Herbstnacht war, eine alte Hütte, um gemütlich einander in allerhand Jugendspielen den Abendsitz abzukürzen. Alles ging nach Wunsch; sie blieben ohne Störung. Doch kaum brach Mitternacht an, da erhob sich ein furchtbarer Sturm, die Erde erbebte, die alte Hütte zitterte, der Wald krachte, die Schafe sprangen blökend umher und die erschrockenen Wächterinnen krochen in die ersten besten Schlupfwinkel, wo sie laut zu beten anfingen. Zum Glück dauerte der Spektakel nicht lange; alles ward wieder still und ruhig. Die guten Mädchen verlebten nun eine schlaflose Nacht und kehrten am Morgen, noch ganz bleich vor Schrecken, nach Hause zurück.
Nach etwelchen Jahren bekannte eine Hexe noch auf dem Scheiterhaufen seelenfroh, wie sie einst im Stafel eine muntere Mädchengesellschaft geschreckt und in Todesangst gejagt habe. Sie sei gerade ob der Hütte gestanden und habe, indem sie ihre Schürze schüttelte, den furchtbaren Sturm hervorgerufen.
(erzählt von Herrn Kaplan Mooser)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch