Schon in alten Zeiten — und noch in unseren Tagen — sollen nicht selten in finstern Nächten, entweder auf freiem Felde oder bei Gebäuden und gar in denselben, bald kleinere, bald grössere blaufarbige Lichter gesehen werden, die eine Zeit lang zwitschernd leuchten und dann gewöhnlich plötzlich verschwinden. Man nennt diese "Totenlichter", welche den baldigen Tod eines Menschen aus der Familie, aus deren Eigentum oder in deren Gemächern selbe zum Vorschein kommen, anzeigen sollen.
Im Jahre 1868 wurden bei einem unbewohnten Hause zwei Lichter gesehen, ein kleines und ein grosses; und richtig, nach ungefähr zwei Monaten, starben aus der Familie, der das Haus angehörte, ein Kind und dessen Grossvater. — Im Jahr 1867 fiel in Zermatt ein Mann schwer krank; genas aber wieder und war wohlauf. Dieser besuchte eines Sonntages eine zahlreiche Gesellschaft, an der auch der Schreiber dieser Erzählung teilnahm. Wir alle wünschten ihm Glück zu seiner Genesung. Da kam ein Mann herein und sagte zu ihm: «Ich habe nicht geglaubt, dass du wieder gesund würdest, denn ich habe das Totenlicht auf deiner Matte gesehen.» Und der Genesene ward wieder krank und in kurzer Zeit eine Leiche.
Denjenigen, die an solche Lichterscheinungen oder derart Zeichen glauben, kann man Behutsamkeit und Schweigen nie genug anraten. Die traurige Erfahrung lehrt, dass Angst und Schrecken unter furchtsamen Leuten viel Unheil anzurichten im Stande sind. Ich wiederhole, habet Mitleiden, quälet und … sie nicht so!
(erzählt von Herrn Kaplan Mooser)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch