Man fand einst in Saas in einer Hütte von Almagell einen fremden Toten. Ohne Zweifel hatte er im Winter diese hohen und wilden Berge passiert, hat sich, von Kälte und Strapazen erschöpft, in diese Hütte geschleppt und ist dort entschlafen, um nimmer zu erwachen. Weil man aber nicht wusste, ob er ein Christ oder Heid gewesen, so hatte man ihn nicht fern von der Hütte im Sand vergraben. Leute, die nicht lange nachher da vorüber gingen, sahen, dass vom Toten eine Hand hervorguckte und hörten nicht weit davon ein Vögelchen wunderschön singen. Man beugte die Hand wieder unter die Erde; aber bald darauf schaute wieder ein Fuss vom Toten heraus. Auch dieser wurde wieder unter den Boden geschoben Sooft man da vorüber ging, schaute von diesem fremden Toten bald ein Fuss, bald eine Hand aus dem Grabe hervor; vergebens bestrebte man sich, selbe mit Erde zu bedecken und immer hörte man in der Nähe ein Vögelchen wunderschön singen. Da kam man auf den Gedanken, den Toten wieder auszugraben und ihn auf die Friedhofmauer der Pfarrkirche zu legen. Diese Mauer hatte die Eigenschaft, die auf den Bergen gefundenen, unbekannten Toten ob sie katholisch oder unkatholisch seien, zu enträtseln. Dies geschah auf folgende Art: War die Leiche, welche man auf die Mauer legte, in der Nacht ausser den Gottesacker geworfen worden, so hielt man sie für unkatholisch; fand man sie aber am Morgen auf geweihtem Erdreiche, so war sie für katholisch gehalten. Am Tage darauf fand man diese Leiche, zur allgemeinen Freude, fast mitten auf dem Friedhofe liegen. Das war ein gutes Zeichen!
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch