Der Bozo z'en Höhstegen in Saas

Land: Schweiz
Region: Visp
Kategorie: Sage

Z'en Höhstegen in Saas, so erzählte man sich bei einem Abendsitze, soll es ehemals sehr unheimlich gewesen sein. Wenn jemand da spät in der Nacht vorbeiging, so soll es zuerst hell gepfiffen haben, dann aber, zum zweiten Mal, hoch aufgejauchzet (ho uf'gjuzot ha), dass Berg und Tal davon widerhallten. Es geschah einst, dass einer, der zu lang im Abendsitze zubrachte, noch spät in der Nacht heimkehren wollte und eben bei diesem Steg, beim Zelliloch, wo es nicht geheuer war, vorbei passieren musste. Man suchte ihn zu überreden, dass er bleiben und frühmorgens nach Haus kehren solle; denn es könnte ihm an dem verrufenen Orte etwas geschehen. Er bestand aber fest darauf, am Bozenloch vorüber und heim zu gehen, weil er sich vor dem Bozo nicht fürchte. «Und wann es dir dann pfeift und jauchzet?» fragte man ihn. «Da pfeife und jauchze ich ihm entgegen!» gab er zur Antwort. Er verabschiedete sich also von der Abendsitzstubengesellschaft und kehrte, ungeachtet dass es sehr spät und finster war, nach Haus. Wie er nun bei dem verschrienen Zelliloch ankam, hörte er es so helle pfeifen, dass es ihm durch Mark und Bein ging. Dennoch fasste er Mut und hat ihm entgegen gepfiffen. Darauf hörte er es jauchzen, dass Berg und Tal davon erbebten. Und er war so frech und jauchzte ihm auch entgegen. Gleich hörte er ein starkes Rauschen durch den Wald und er sah einen grossen Bock in mächtigen Sätzen auf ihn zuspringen, der mit seinen vorderen Füssen sich ihm auf den Rücken und die Achseln warf. Und so gut er auch vorwärts eilte, blieb ihm doch der Bock immer auf dem Rücken und wurde endlich so schwer, dass er meinte, er müsse sich fallen lassen. Da kam er mit grosser Mühe zu einem Kreuz, das an der Strasse stand; er umarmte dasselbe mit inbrünstigem Gebete, dass sich Gott doch seiner erbarmen wolle. Er machte das heiligste Versprechen, er wolle nie mehr in böse Abendsitze gehen, nie mehr mit den Toten G'spass treiben, sondern Hl. Messen für diesen Geist lesen lassen und Almosen geben, wenn ihm noch zu helfen sei. — Augenblicklich ist der Bock von ihm gesprungen und mit Geräusch in dem Walde verschwunden. Und weil er redlich sein Versprechen gehalten, soll man an dem unheimlichen Orte seither nichts mehr gehört haben.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

 

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