Eine der ältesten Sagen von Naters ist wohl der Rollibock. Es soll dies ein schrecklicher und mächtiger Bozo gewesen sein. Wenn es Verwegene gab, die denselben herausgefordert oder über ihn gespottet hatten, so brach er plötzlich und mit so schrecklichem Getöse aus dem Aletsch hervor, dass auch der Schnellste ihm kaum entfliehen konnte. Nur wer in eine Kapelle oder in ein Haus, wo gesegnete Sachen aufbewahrt wurden, sich flüchtete, konnte sich retten. Der aber vorher von ihm ergriffen wurde, den zermalmte er wie den Staub an der Sonne. Er soll die Gestalt eines Bockes mit grossen Hörnern und feurigen Augen gehabt haben und sein ganzer Leib soll statt der Haaren mit Eisschollen behängt gewesen sein, welche bei seinem stürmischen Laufe ein furchtbares Klingeln verursachten. Land, Steine und Tannen soll er mit seinen Hörnern aufgerissen und hoch in die Luft geschleudert haben.
Einige glauben, das poetische Altertum habe unter diesem schrecklichen Bilde den Ausbruch des Mörjelen-Sees vorstellen wollen, der drei Tage lang sich durch den Aletschgletscher den Weg bahnen muss und laut der Aussage der Aletschhirten, ein furchterregendes Rauschen, Krachen, Gepolter und Klingeln in den grausigen Spalten und engen Eisgewölben verursacht, und wenn die wütenden und stinkenden Gewässer die Abgründe des Gletschers und des schauerlichen Massa-Chins durchtobt hatten, sich dann verheerend über die Felder des Walliserlandes ergiessen und eine allgemeine Überschwemmung verursachen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch