Berggeister

Land: Schweiz
Region: Visp
Kategorie: Sage

Es gibt wenige Täler im Wallis, wo nicht an einem oder dem andern Orte die schädlichen Berggeister durch Schlammlawinen, Bergrutsche, Bergstürze, Steinschläge und Wieggisch ihre Zerstörungskraft beurkundet haben. So sollen diese Kobolde ob Unterwassern einen Teil des Bergs heruntergeworfen haben; oft habe man sie mit Händen und Füssen arbeiten und Felsen stossen gesehen. Auch in Madsand und Blattbach (St. Niklaus) hauste ein ähnlicher Geisterspuk so arg, dass Dorf und Umgegend verschüttet wurden; noch in den neuesten Tagen soll es im Madwald gespukt haben. — Die zerstörenden Berggeister versuchten auch das Fuchs-Gufer, ob Naters, aufs Dorf zu wälzen. — Im schaurigen Bruchigraben sollen sie oft plötzlich Wieggisch oder Schlammlawinen aufgewühlt und Naters zu überschwemmen gedroht haben, weswegen man eine Armenspende jährlich zu geben versprochen hatte.

Ob Ernen zum Steinhaus werden von einem dortigen Lehmgraben schaurige Spukgeschichten erzählt. Ein zu nachts durch diesen Graben Reisender erzählte, dass ihn beim Eintritt in denselben eine solche Finsternis überfallen habe und er keinen Schritt weiter wagen durfte. Da habe er den Geist beschworen im Namen Gottes, dass er ihn nicht auf seiner Reise aufhalten wolle; er sei bereit ihm zu helfen. — Keine Antwort und die gleiche Finsternis. — Da habe er eine gesegnete Kerze angezündet und das Hl. Johannes Evangelium gebetet mit lauter Stimme; und als es ungeachtet dessen nicht besser werden wollte, habe er zornig laut gerufen: «Ich beschwöre dich nochmals im Namen Gottes! Ist dir zu helfen, so helfe dir Gott — und sonst helfe dir der lebendige Teufel!» — Da sei es nicht anders gewesen, als wenn ein glühender Ochs durch den schaurigen Graben hinuntergeschossen wäre. Die Finsternis um ihn verschwand und er konnte ohne Schwierigkeit seine Reise fortsetzen.

Auch der Bergsturz beim Täschgufer soll durch solche schädlichen Berggeister veranlasst worden sein. — Aber wo die Geister völlig zu Haus sein sollen, in dem viele Kobolde, die anderswo vertrieben, dorthin verbannt werden, — das ist der Illgraben im Pfinhorn, der Bürgschaft Leuk gegenüber, der oft seine Schlammwieggische bis in die Rhone treibt und selbe hinterschwellt. Dort sollen besonders die Staatsherren und Geistliche abbüssen müssen. Man soll mehr als einmal schwarzgekleidete Herren auf der roten Schlammlawine einherreiten gesehen haben. Von diesem schrecklichen Graben wird viel Unheimliches erzählt, was den Leuten noch heutzutage begegne.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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