Es ist eine kleine Felsenhöhle, in welcher vor undenklichen Jahren ein greulicher Drache oder eine Natter lebte, die ringsum Menschen und Vieh, wenn sie zu nahe kamen durch ihren giftigen Atem anzog und dann verschlang. Einem zum Tode Verurteilten, dem man versprach, das Leben zu schenken, wenn er die Gemeinde von diesem Ungeheuer befreien könne, gelang es den Drachen zu töten. Er liess sich eine Lederkleidung verfertigen, behängte selbe ringsum mit schneidenden und stechenden Werkzeugen und ging dann mit einem scharfen Schwerte und Dolche der Natter entgegen. So tapfer sich der Kämpfer gegen den Drachen verteidigte, so wurde er doch von dem giftigen Atem, so aus dem Rachen des Ungeheuers ihn anwehte, so betäubt, dass er überwunden und verschlungen wurde. Aber Gott, den er vorher inbrünstig angerufen, verliess ihn nicht; die schneidenden Waffen, mit denen er umgeben war, durchstachen und durchschnitten die Eingeweide der Natter, so dass er sich mit Hülfe des Dolches einen Ausweg aus dem Bauche derselben verschaffen konnte. Wie er nun aus dem scheusslichen Grabe erstanden und den schrecklichen Drachen tot zu seinen Füssen liegen sah, da zog er seine ledernen Handschuhe ab und hob dankend seinen vom Gift getränkten Dolch zum Himmel. — Aber in diesem Augenblicke fiel von dem furchtbaren Natterngift ein Tropfen auf seine Hand — und dieser gab ihm den Tod.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch