Etwa eine Viertelstunde unter Glis, zu den breiten Wegen genannt, stand ehemals eine Kapelle und hinter derselben gegen Abend, etwas mehr als Steinwurfsweite auf einem Hügel, das Hochgericht oder der Galgen. Dort hatte vor vielen Jahren ein Kaplan von Glis zwei arme Übeltäter, welche sollten hingerichtet werden, zum Tode vorbereitet und zum Hochgericht begleitet. Beiden nahm er das Versprechen ab, sie sollten ihm, wenn er morgens in der Breitenweg-Kapelle zu ihrem Troste die Hl. Messe lese, ein klares Zeichen geben, ob es ihnen gut in der Ewigkeit ergangen sei. Beide versprachen es, wenn es je möglich sei. Als er am Tage nach ihrer Hinrichtung in dieser Kapelle für die Seele desjenigen, der zuerst hingerichtet worden, die Messe zu lesen im Begriffe war, — siehe, da stellte eine unsichtbare Hand das Kruzifix neben den Kelch auf den Altar herunter, — eben als er das Staffelgebet verrichten wollte. «Gott sei Dank», dachte er bei sich selbst, «du bist gewiss gut gestorben!» Als er für den Zweiten tags darauf dort die Andacht verrichten wollte und eben am Portale der Kapelle anlangte — da sass auf dem untern Gesimse einer Säule — eine grosse fürchterliche Kröte, die sich gegen ihn wandte. Und wie näher er ihr kam, desto mehr blähte sie sich auf, desto grösser wurde sie. «Ach armer, unglückseliger Mensch», rief der Priester aus! «Ist dies das Zeichen, so du mir geben kannst?» Die Kröte glotzte ihn wehmütig an und wurde immer grösser. — «Ach, armer Mensch,» rief der Geistliche händeringend der schrecklichen Gestalt zu, «kann ich dir gar nicht helfen? Ich beschwöre dich im Namen Gottes, sage mir doch, kann ich dir gar nicht mehr helfen?» — Da sprang die Kröte mit einem fürchterlichen Satze (Sprung) in die nahe gelegene, schmutzige Pfütze, so dass das Wasser plätschernd über ihr zusammenschlug und verschwand aus seinen Augen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch