In der von Reisenden oft besuchten Belalpe ob Naters, welche gewiss sowohl wegen ihrer luftigen und hübschen Lage, als wegen ihren herrlichen Aussichten die schönste in ganz Wallis ist, fliesst mitten durch das reizende Alpental ein sanft tosender Bach. Er entspringt von den zahlreichen Bächlein, welche von dem Gletscher im Hintergrunde der Alpe wie Silberfäden herunterfliessen, und nimmt seinen Lauf durch die Mitte der prächtigen, fast stundenlangen und wie ein Tisch ebenen Kühmatte. Nicht fern vom Stafel, der an die dreissig Hütten nebst einer schönen Kapelle zählt, am Steg genannt, ist über diesen Bach eine kleine Holzbrücke gebaut, über welche das Vieh auf die Alpenweiden getrieben wird. Nahe an diesem Steg trifft man einen etwas flachen Stein an, in welchem die seltsame Gestalt eines Fusses eingedrückt ist; man nennt ihn den Teufelstritt. Die Sage erzählt, der Teufel habe hierdurch einst eine Alpenreise gemacht. Vom Riesigen Horn soll er einen Schritt bis zu diesem Steg auf diesen Stein, von dort auf das Hochgebirg und endlich auf's Gliserhorn den dritten Schritt getan haben. Weil aber der Schritt über den ganzen Brigerzehnen ein sehr breiter war, so sei durch das starke Auftreten auf die Spitze des Gliserhorns dieselbe zersprengt worden. Wirklich soll dort oben ein grosser Spalt im Felsen sein, der sich immer mehr erweitere und laut einer Sage werde Brig einst von den Trümmern eines mächtigen Felsens aus dem Gliserhorn erschüttert werden. Auf diesem zerklüfteten Felsen steht jetzt ein Kreuz, vielleicht um dem Teufel die Lust zu den nehmen, zum zweiten Mal so unhöflich darauf zu treten. Von seiner fernen Reise und warum er in so grossen Sprüngen da durchpassiert sei, schweigt die Sage. Jedenfalls waren es echte Riesenschritte, würdig eines Adramelechs, wie ihn Klopstock in seiner Messiade nennt. Entweder wollte er die Grösse seiner schrecklichen Engelsnatur zeigen, oder er wollte als Tourist die Schönheiten dieser Gegenden selbst bewundern, und ich zweifle, dass "Rüffel" in Zermatt einen so grossen und mächtigen Reisenden aufzuweisen hat; oder er fürchtete, es möchte ihm hier ergehen wie ehemals auf dem St. Bernhardsberg, wo ihn der Hl. Bernhard gefangen nahm; oder er besorgte, es könnte ein Hl. Theodul, Landespatron, ihm wieder Befehl geben, eine grosse Glocke von Rom nach Wallis zu tragen; oder ihm graute vor dem in Brig erbauten Jesuitenkloster, wo die Söhne des Hl. Ignatius immer ein wachsames Auge auf seine Teufelssprünge gerichtet hielten, denn er weiss nur zu gut, dass im Namen Jesu auch alle Knie unter der Erde sich beugen müssen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch