Zu Betschwanden hingen vor Zeiten vier Glocken im Turm. Heute aber sind es nur noch drei, und das kam so:
Wenn am Sonntag der Sigrist samt den Läuterbuben am Seil zogen, so dass die Buben oft bis an die Tili hinaufschossen und wieder herunterkamen, und alle Leute rühmten, was für ein schönes Geläute das Dorf habe, dann begann der alte Turm zu wackeln, und das war weniger schön. So wurde denn zum Maurer geschickt, und er wurde gefragt, ob die Leute, die bei der Kirche zu Hause wären, in Gefahr kämen. Der Maurer besah sich Turm und Mauern von allen Seiten, meinte, es sei nicht eben schlimm, kam aber doch mit zwei andern und mauerte nach Leibeskräften die Sprünge zu, mochten sie noch so gering sein.
Darüber kam einmal teure Zeit, in der alles verdorrte und vertrocknete und kein Regen vom Himmel fiel, das liebe Vieh zu tränken, und viele gerieten damit in grosse Not.
Da sagte des Maurers Frau, als sie zu Bette gingen, zu ihrem Mann: «Ruedi, wir haben unsere sieben Kinder und nichts zu essen, und so kann’s nicht mehr weitergehen. Schau zu, dass Geld in die Gemeinde kommt, auf dass wir Brot reichen und ein Habersüpplein kochen können.»
Als nun am Sonntag der Sigrist zu läuten begann, erhob er auf einmal ein Geschrei, die Sprünge gingen wieder auf, und er sei für immer Sigrist gewesen, wenn er so sein Leben aufs Spiel setzen müsste. Am besten wäre es, wenn die Betschwandener die Glocke verkauften, bevor ein Unglück geschehe; sie hätten ja immer noch ihrer drei, und bei einer so kleinen Gemeinde werde der Liebe Gott in derlei harten Zeiten wohl ein Einsehen haben.
So kamen sie überein, die Glocke zu verkaufen um so viel Silberlinge, als darinnen bis zum Streichmass Platz hätten. Mit dem Geld aber kauften sie Brot, Salz und Korn, und der Maurer bekam auch seinen Teil und dazu noch einen Löffel voll mehr um seines guten Rates willen.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch