Die christlichen Glaubensboten St. Fridolin und St. Hilarius waren in unser Land Glarus gekommen und hatten die wenigen heidnischen Talbewohner davon überzeugt, dass der Weltheiland den wahren, einzigen und unsichtbaren Gott und Vater den Menschen verkündigt hatte. Von nun an sollten sie nicht mehr an die Dämonen glauben, nicht mehr mit Wahrsagern und Zeichendeutern im Bunde stehen, weder Beschwörungen vornehmen, noch Blutverträge schliessen.
Da entschloss sich der Böse, er wolle in Menschengestalt auch predigen, aber für seine Sache und auf seine Weise. Er sagte den Menschen, dass eine Lüge nicht so gefährlich sei, wie die Glaubensboten meinten. Einem Lüstlein solle man nur nachgeben, denn dadurch werde das Leben versüsst. Man müsse doch nicht den Kopf hängen lassen, sondern zum Lebensgenusse nehmen, was einem gelüste, wenn die Sache einem andern auch etwas Schaden bringe. So flüsterte er den Menschen oft ins Ohr, wenn er unerkannt neben ihnen schritt.
Sie gingen dann aber zu den Glaubensboten und fragten, ob dem so sei. Diese aber redeten es ihnen mit warmer Begeisterung aus und ermahnten sie zu Wahrhaftigkeit, Treue, Ehrlichkeit, Gottesglauben und Menschenliebe.
Die Bewohner der Berggüter waren aber oft allein gelassen und konnten auch nicht häufig die Glaubensboten aufsuchen, die zudem manchmal weiterwanderten, um ihre Lehre auch anderwärts zu verkünden.
Da dachte der Teufel, er wolle die Bergleute zurückgewinnen und sich dann eifriger auch wieder an das Talvolk wenden. Als nach Jahren die ersten Verkünder des Evangeliums gestorben waren, gedachte er, gute Beute zu machen. So errichtete er an einem Alphang eine Kanzel aus Stein und fing an, den Bergleuten zu predigen, wobei er gar rohe Spässe erzählte. Zuerst glaubten sie ihm nicht. Nach und nach aber, als er immer eindringlicher seine Lehre behauptete, wurden einige zweifelnd und gingen öfter zu dem listigen Prediger. Auch einige Ungläubige aus den Taldörfern waren stets dabei. Viele Jahre später, als schon Kirchen im Lande waren, pilgerten Nachkommen jener Ungläubigen zur Bergkanzel hin, wo der Böse seine wilden Lehren ausstreute.
Noch heute zeigt man in der Alp Bräch über Braunwald die Teufelskanzel, wo der, den man nach altem Christenglauben mit dem Spruche «Gott sei bei uns» bannen konnte, an dem Berg- und Talvolke unseres Landes sein ungutes Werk ausrichtete.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch