Wie der Schniiderbärgjoos seiner lieben Gewohnheit nach wieder einmal von Linthal aus höhwärts ging, geriet er auf eine Alp am Kammerstock, wo er, weil er ein wenig müde geworden, den Geissen zuschaute, wie sie kreuz und quer ihr mageres Gräslein abrupften und sich mühten, die besten Blättlein nicht zu übersehen. Im Weiterwandern kam er zur Hütte und bat den Sennen um einen Schluck rauer Milch oder um ein Beckeli kalten Kaffees.
«Sofort, sofort!» nickt der Senn. «Sobald ich da mit Melken zu Ende gekommen bin. Grade am Verdursten wirst du noch nicht sein, oder?» Aber wie er sich auf dem Melkstuhl umdreht und fragt: «oder?», da ist der Joos schon verschwunden, als wenn er in der blauen Luft vergangen wäre.
Der Senn schüttelt den Kopf und denkt: «Ein merkwürdiger Kostgänger! Hätt, denk ich, wohl die paar Minuten noch abwarten können!» Und dann fängt er an zu käsen. Aber wie er auch ins Feuer bläst und wie er auch mit Etscher und Lab nachhilft - es nützt alles nichts, und die Milch will und will sich nicht scheiden und nicht dick werden. Weder an dem Tag, noch am andern und überandern.
Der Knecht hatte dem Tun seines Meisters schweigend zugesehen. Er war ein Urner von ennet dem Pass und glaubte an allerlei, das der Senn kaum dem Namen nach kannte. «Ich könnt’ Euch einen guten Rat geben, Meister», sagte er am dritten Tag, «ich will für Euch zu den Näfelser Kapuzinern. Die haben Mittel gegen alles und wissen mehr als andere Leute.»
Der Senn besann sich nicht lange. «So geh in Gottesnamen, und hoffentlich bringst du ein Pülverchen auf die Alp, das helfen kann.»
Der Kapuziner hörte sich die Klagen des Knechts aufmerksam an. Dann fragte er ihn: «Es liegt am Herd! Habt ihr nicht vor kurzem den alten hintersten Plattenstein aus dem Herd genommen und einen neuen hineingesetzt?»
«Doch», sagte der Knecht, «es sind erst drei Tage her. Der alte Stein war keinen Blutzger mehr wert.»
«Nun, so nimm den Stein auf und dreh ihn um und schau, was darunter liegt! Drei Holzspänlein sind’s, die liegen kreuzweis übereinander. Bevor die drei nicht zu Asche verbrannt sind, wird euch die Milch nicht dick.»
Der Knecht bedankte sich höflich und ging mit dem guten Rat dem Kammerstock zu, tat, wie ihm der Kapuziner gesagt hatte, und von nun an ging alles wieder seinen rechten Gang, und der Senn konnte käsern nach Herzenslust.
Der Schniiderbärgjoos aber hat sich nie mehr auf der Alp blicken lassen. Er wird gewusst haben, warum, der Fink!
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch