Um eine Million zu spät

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein Posamenter aus Arboldswil hatte in Basel seine fertig gewobenen Seidenbänder abgegeben und ging zu Fuss heimzu. Unterwegs kehrte er im «Rössli» zu Bubendorf ein, um sich für den letzten Anstieg zu stärken. Als er bei der Beuggenflue vorbeikam, schlug die Kirchenuhr von Bubendorf gerade elf Uhr. Plötzlich stand ein grosser, langbärtiger schwarzer Mann vor ihm, der ein schönes, weiss gekleidetes Mädchen an der Hand hielt. Da an dieser Stelle der Gemeindeplatz für das Kohlenbrennen war, glaubte der erschrockene Arboldswiler, es sei der Schmied von Bubendorf. Der Mann sprach aber: «Wir hüten hier einen grossen Schatz und finden im Grabe keine Ruhe, bis ein von Basel heimkehrender Posamenter meiner Tochter einen Kuss gibt. Er darf aber in der Basler Hard nicht mit Talern gestöckelt haben; auch soll sein Atem von Weindünsten rein sein. Heute kannst du diese Bedingung leider nicht erfüllen. Über acht Tagen erwarte ich dich wieder, wenn die Glocke elf Uhr schlägt. Versäume die Stunde nicht! Du darfst aber nicht zu Fuss gehen, auf keinem Tier reiten, auf keinem Wagen fahren. Komm und erlöse uns!» Dabei hob das weisse Mädchen flehend seine Arme; der Posamenter aber fiel in Ohnmacht und erwachte erst am folgenden Morgen neben dem schwelenden Kohlenmeiler.

Nachdenklich ging er nach Hause, wo ihn seine Frau mit bösen Worten empfing. Nachdem er ihr aber sein Erlebnis erzählt hatte, sahen sie eine rosige Zukunft vor sich. Sie glaubten sich schon im Besitze des versprochenen Schatzes, und sie richteten sich bereits nach ihren zukünftigen Vermögensverhältnissen. Eine Woche später traten sie die Reise nach Basel an, um den Webstuhl aufzukünden. Auf dem Rückweg wollten sie zur festgesetzten Stunde die schatzhütenden Geister bei der Beuggenflue erlösen. Doch wie sollte der Mann auf dem Platz erscheinen, wenn er nicht gehen, fahren und auf keinem Tier reiten durfte? Schliesslich wusste die Frau einen Rat. Sie schlug vor, ihren Mann auf dem Rücken zu tragen. Es war schon Nacht, als die beiden von Basel her im «Rössli» zu Bubendorf eintrafen. Sie wollten dort als Herzstärkung, und um den Atem von Weindünsten rein zu halten, ein Gläschen Kirschwasser zu sich nehmen.

Von dem starken Getränk schon etwas beduselt, machten sie sich endlich auf den Weg. In der Nähe der Beuggenflue setzte sich der etwas magere Posamenter rittlings auf die Schultern seiner kräftigen Frau, um den Bedingungen des schwarzen Mannes nachzukommen. Aber schon fing die Kirchenuhr an elf zu schlagen, und der Mann glaubte die wartenden Geister zu sehen. In raschem Laufe erreichte das seltsame Paar fast den Köhlerplatz, kam aber zu nahe an den dort mündenden Fluebach und stürzte kopfvoran in das zwar nicht tiefe Bachbett. Ausser einer ordentlichen Abkühlung der heissen Köpfe nahmen sie keinen Schaden. Als sie aber aufblickten, hatte die Glocke verklungen und die Geistererscheinung war verschwunden. «Um eine Million zu spät», jammerte der Mann, und ernüchtert und betrübt zogen die beiden heimwärts.

Im Jahre 1828 kam in einer Spalte der Beuggenflue ein ansehnlicher Schatz von Silbermünzen aus alter Zeit zutage. Seither sind der schwarze Mann und das weissgekleidete Mädchen nicht mehr gesehen worden.

Bubendorf

Quelle: P. Suter/E. Strübin, Baselbieter Sagen. Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel, Band 14. Liestal 1976

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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