Eine alte Frau, die vor vielen Jahren auf der «Platte» ob Näfels Holz sammelte, vernahm auf einmal hinter sich ein eigentümliches Rascheln. Als sie sich umwandte, sah sie einen schlanken, schönen Mann aus einem Gebüsch hervortreten. Es musste wohl ein Fremder sein, denn er trug hohe, gelbe Gamaschen, wie sie hierzulande nicht gebräuchlich waren. Der Unbekannte schritt auf das Mütterchen zu und verlangte von ihm den Holzerstrick, den es sich um die Hüfte geschlungen hatte. Verblüfft gab ihn die Alte her, worauf der Mann einen kleinen Steinwurf weit ins Gehölz zurückging und sich an einem Baum erhängte. Erschrocken floh die Frau heimwärts.
Es verfloss keine halbe Stunde, so kam ein anderer Mann des Weges. Es war der Besitzer des kleinen Häuschens in der Nähe des Fahrtsplatzes, das man «Schlössli» nennt, obwohl es gar kein fürstliches Gepräge hat. Der Schlössler betrachtete sinnend den Erhängten und erblickte die schönen Gamaschen. «Der kann auch ohne diese hübschen Dinger baumeln», sprach er zu sich selbst, guckte vorsorglich umher, ob ihn niemand sähe, und zog dem Leichnam die Gamaschen aus.
Als er sie zu Hause beim Nachtessen zeigte und das feine Leder rühmte entstand ein grässliches Rumpeln und Poltern im Haus, als ob das «Schlössli» voll wilder Hengste wäre, so dass das Häuschen vom Kellerloch bis zum Firstbalken zitterte. Der Schlössler ahnte sofort, woher der Spuk rührte. Er riss den Fensterflügel auf und warf die Gamaschen ins Dunkel hinaus — und siehe: der Lärm verstummte augenblicklich.
Die Sache wurde aber ruchbar, und es hiess, im «Schlössli» rumorten Gespenster. Der Schlössler musste sein Haus verlassen. Es wurde zugemauert. Erst nach langer Zeit, als anzunehmen war, dass sich die unliebsamen Hausgeister beruhigt oder davongemacht hätten, gestatteten die Ratsherren einer armen Familie, dort einzuziehen. Die Geister zeigten sich wirklich nicht mehr.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch