Der Gerbihund

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ehedem lebte zu Näfels ein Bote, der tagsüber von Dorf zu Dorf laufen musste, um den Bauern Nachrichten und Waren zu bringen und zu holen, und damit seinen Lohn zu verdienen. Der aber war kärglich und bescheiden, und so kam es, dass hie und da ein Sack oder ein Brief nicht mehr aufzufinden war und der Bote nichts davon wissen wollte, so sehr man ihn auch fragte. Einmal aber musste er einen Beutel voll Geld, es sollen viele hundert Gulden gewesen sein, nach Oberurnen bringen, brachte ihn aber nicht und gab ihn nicht ab, und kein Mensch brachte heraus, was mit dem Geld vorgegangen war, noch viel weniger, wo er es versteckt hielte. Bald darauf starb der Bote an einer unheimlichen Krankheit, die niemand erkannte, und das war seine Strafe.

In der Nacht, da man ihn christlich begraben hatte, schlich ein schwarzer Hund mit feurigen Augen ums Haus, der trug eine Tasche um den Hals, war anzusehen wie eine Botentasche, der winselte und heulte und liess sich von keinem Menschen fangen. In hellen Mondnächten sah man ihn oft von Oberurnen her über Weg und Steg schleichen; jedes Mal hielt er vor dem «Hirzen» an, als ob er etwas bringen wollte. Bis zu dem alten Haus, wo die Postboten sich sonst zu treffen gewohnt waren, aber kam er nie. Er wird gewusst haben, warum.

Oftmals ist der Hund auch vom Büehl her bis zum Stampf gelaufen; wenn Frauen beim Brunnen noch spät abends ihre Wäsche zusammenräumten, bellte er sie wütend an und zeigte ihnen sein schneeweisses Gebiss, tat aber keiner etwas zuleide und verschwand so rasch wie er gekommen war.

 

Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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