Der Zwingvogt auf der Burg Stadion

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Es mag vor bald sechshundert Jahren gewesen sein, da lebte auf der Burg Stadion, mitten im Dorfe Näfels, ein Zwingvogt, Walter geheissen; der war ein gar strenger Herr und liess die Bauern nach seiner Pfeife tanzen. Wer’s aber nicht tun wollte oder wer gar laut oder leise über ihn zu schimpfen versuchte, dem liess er zur Strafe das erstbeste Haupt Vieh, und nicht das schlechteste, aus dem Stall holen. Wehrte sich der Bauer gar, so standen eines Nachts unversehens die Burgknechte vor seiner Türe, und er verschwand auf Nimmerwiedersehen. Nicht viel besser erging es auch jenen, die um Martini nicht zu zinsen vermochten oder sonstwie mit dem Vogt hintereinander gerieten.

So war es denn nicht zu verwundern, dass die Bauern von Jahr zu Jahr unzufriedener wurden und heimlich auf Änderung sannen. In dunklen Nächten standen sie zusammen und berieten, was gegen den Vogt unternommen werden könnte. Da sie auch unter den Burgknechten mehr als einen kannten, der ihnen wohl mochte und des Vogtes überdrüssig war, ihnen auch heimliche Hilfe versprach, so fingen sie an, scharfe Sensen zu schmieden, und nebenbei auch für Speer und Spiess zu sorgen.

Wie sie alles bereit haben, so schiesst einer der Knechte, es war der redlichste von allen und hiess Arnold, einen Pfeil mit einem Zettel über die Mauern zum Heerweg hinauf. Darauf stand geschrieben «Heute Nacht, wenn der Wächter zum dritten Mal ruft!» Wie aber der Pfeil vom Bogen saust, so kommt eben der Vogt zum Tor hineingeritten und fragt den Knecht mit böser Stimme, was er über die Mauern zu schiessen habe?

«Gnädiger Herr Landvogt», sagt der Knecht, «ein Bauernhund ist durch unsere Felder gelaufen; der läuft jetzt nicht mehr – wozu brauchen die Bauern Hunde zu haben?» Der Vogt war’s zufrieden.

In der Nacht nun sammelten sich die Bauern in vielen kleinen Haufen. Mit Leitern und Spiessen und Sensen bewaffnet, schlichen sie der Burg zu, und als der Wächter die dritte Stunde gerufen, so kletterten sie behende über die Mauern, wo sie am tiefsten waren, liessen die Zugbrücke hinunter, stiegen durch Fenster und schlugen die Türen ein und überrumpelten so den Vogt und sein Gesinde, bevor er auch nur Gelegenheit hatte, Helm und Panzer überzuziehen.

Eine Stunde später schon leuchtete der Himmel über dem Glarnerland blutrot, und das war nicht das Morgenrot, sondern des Vogtes Zwingburg, die samt allen Türmen und Stuben und Kammern zu Schutt und Asche verbrannte.

Des Vogtes Blut aber begehrten die Bauern nicht. Sie liessen ihn laufen, so weit ihn seine Füsse trugen.

 

Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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