Mit Hexen ist nicht gut Kirschen essen, noch weniger mit einem Hexenmeister. Das erfuhr vor etlichen und vielen Jahren einer in Näfels, als er einem alten Manne den Hornschlitten gestohlen und im «Brand» oben versteckt hatte. Diesmal war der Dieb aber an den Falschen oder eigentlich an den Richtigen geraten. Der Alte war nämlich «tifiger» als mancher, der ein Dutzend Hosen auf der Studierbank durchgescheuert hatte. Er verstand sich aufs Hexen, und das kam ihm jetzt zustatten. Zunächst freilich machte er’s wie unsereiner: Er suchte da und dort, fragte die Nachbarn und schüttelte den Kopf. Als sein Schlitten jedoch nicht zum Vorschein kam und alle Gefragten nur bedauernd mit den Achseln zuckten, murmelte er: «Du wirst ihn mir schon wieder bringen, was gilt’s?»
Am Abend schickte der Alte seine Enkel früh ins Bett, denn er dachte wohl, dass sie noch reichlich jung wären, dem Hexen zuzusehen. Aber die Lausbuben liessen die Ofenlucke fingerbreit offenstehen und schielten bäuchlings in die Stube hinunter. Was gewahrten sie? Der Grossvater schloff in seinen «Schwettifrack», holte den Zylinder aus dem Kastengrund des Zeithäuschens und kramte endlich einen Haufen Zettel hervor, auf denen die Knaben allerlei sonderbare Schnörkel und Zeichen, auch Zahlen und Buchstaben erkennen konnten. Mit diesen Fetzlein füllte er den steifen Hut wohl bis zur Hälfte. Jetzt ergriff er den Zylinder und begann wie närrisch um den Tisch herumzulaufen, schneller, immer schneller, dass die schwarzen Frackzipfel wie Schwänze flogen. Nach einer geraumen Zeit — die Buben oben mussten sich ordentlich in die Waden kneifen, damit ihnen das Lachen nicht herausplatzte — hörte man draussen vor dem Haus jemand heranschnaufen und etwas Schweres hinstellen. «Da hast du ihn wieder!» rief einer in den Hausgang hinein, und das war niemand anders als der Schelm, der den Schlitten gebracht hatte. Denn so hurtig der Hexenmeister um den Stubentisch gerannt war, so geschwind hatte der andere das Diebsstück herbeischaffen müssen. Es war sein letzter Lauf, denn bald darauf wurde er lahm und blieb es sein Leben lang.
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch