Der heilige Konrad, Bischof von Konstanz, und der heilige
Ulrich, Bischof von Augsburg, sehen zwei Seelen
in Gestalt von Vögeln über dem Rheinfall
Im Konstanzer Gebiet liegt ein fester Ort, der ob seiner Lage (am Flusslauf) Laufen heißt. Als sie [gemeint sind die beiden Bischöfe] dort eines Tages miteinander weilten und schauten, mit welcher Gewalt der Rhein dort wie in einen ungeheuren Abgrund hinunterstürzt und - schauerlich zu sehen - wieder herausbrandet, erblickten sie zwei Vögel, die unaufhörlich um die in Flusses Mitte ragenden Felsen kreisten, immer öfter im Fluge ermatteten, vom Wasser alsbald fast in die Sturzflut hinabgezogen wurden und wieder auftauchten: ein erbarmenswertes Schauspiel! Nicht lange aber ließen sich die Heiligen durch den ungewohnten Anblick täuschen; durch den Geist gelehrt, erkannten sie in der Gestalt der Vögel Seelen, die - noch nicht gänzlich gereinigt - jene Pein erdulden mussten. Sie eilten darum zur raschesten Hilfe des himmlischen Tisches, und als erster musste, als der Gast, der greise Ulrich herantreten, das Opfer des Lebens [Messopfer] darzubringen. Und als dieses von Gott aufgenommen war, erschien nur mehr ein Vogel. Ein zweites Opfer des Heils wurde vom Herrn des Hauses dargebracht, und die zweite Seele wurde durch ähnliche Art der Zuwendung befreit.
Aus: R. Frauenfelder, Sagen und Legenden aus dem Kanton Schaffhausen, Schaffhausen 1933.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch