Strassenhund und Stadttier zu Willisau

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

a) Der Strassenhund ist ein grosses schwarzes Tier mit grossen leuchtenden Augen und feurigem Rachen, um den Hals ein weisses Halsband und um die Tatzen Manschetten. Es sehen ihn nicht alle, die welche ihn aber sehen, müssen, um Unglück zu vermeiden, ausweichen. Dieser Hund macht folgende Touren: Er kommt vom Städtchen Willisau, läuft durch den Tälebachgraben bis zum Bauwilersteg. Wer ihm auf dem Steg nicht ausweicht, wird in den Bach geworfen. Vom Bauwilersteg durch die Schlucht hinauf gegen Schürhubel, von dort in den Kanzelwald und die Bachtalen hinunter, der Buchwigger entlang, zum untern Tor hinein zu den Brunnen der Hintergass; zum obern Tor hinaus zur Ziegelhütte in den Willbergwald; von dort hinunter bei der Grundmühle vorbei auf die Hirseren; von diesem Wald gegen die Eimatt der Strasse entlang nach Hergiswil in den Änziwald und verschwindet dort. Es soll ein ehemaliger Schultheis sein, der durch sein Verwenden den Willisauern die ausgedehnten Waldungen zum Nachteil der Landgemeinde und Hergiswils zuzuwenden wusste und dafür wandeln muss. Die Sage will selbst die Familie bezeichnen, der der Schultheis angehörte, und die deshalb heruntergekommen sei.

b) Das Stadttier ist ein grosser schwarzer Hund, der in den Fronfastennächten sich sehen lässt. Er kommt von der Spitalgasse, geht unter der Metzgschaal durch, die Hauptgasse hinauf auf den Kirchenplatz. Man sah ihn auch vor dem oberen und unteren Tor und im Seitengässchen an den Grabengärten. Erkennbar ist das Stadttier besonders an seinem furchtbaren abscheulichen Geschrei, wenn es durch die feierliche Stille der Nacht ertönt und Mark und Bein durchdringt; es ist mit keinem andern Laut oder Ton zu vergleichen. Dieses wandelt schon mehrere Jahrhunderte und ist eigentlich der alte Baumeister Willisaus, dessen Wohnhaus die alte Kupferschmiede in der Spitalgasse war. Er hätte nach Akkord die andern Häuser so bauen sollen wie das seine, hat sie aber kleiner und schlechter gebaut. Dafür büsst er nun. In Tiergestalten Erscheinende sind schwer zu erlösen.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

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