Venedig erfreute sich vor Jahren einer Anzahl Männer, welche im Besitz einer herrlichen Kunst waren, sie verstanden das — Goldmachen. Man war stolz, aber auch wachsam auf sie, damit keiner je aus der Stadt fortkomme und etwa an andere das Geheimnis verrate. Einmal jedoch ist einer, dem die Lust ankam, wirklich entronnen und gelangte bis Luzern. Aber schon waren die Venediger ihm auf der Spur und fast mit ihm kamen ihre Gesandten bei uns an, um unter der Vorgabe, derselbe sei ein grosser Verbrecher, seine Verhaftung zu bewirken. Das geschah. Im Verhöre beteuerte der Gefangene hoch und heilig seine Unschuld. Jene hingegen legten falsche Dokumente vor. Als der Angeklagte die Luzerner schwanken sieht, verspricht er ihnen eine so grosse goldene Kette mit zolldicken Ringen, dass sie um die Stadt herum reiche, zu machen. Allein die andern Venediger boten alles auf, die Luzerner glauben zu machen, dass dies ein Bösewicht ohne Gleichen sei. Diese gaben wirklich dem Zweifel Raum, wenn er allenfalls ein so arger Verbrecher sei, könnte er frei gelassen ihnen auch grossen Schaden zufügen und zugleich hofften sie, auch von Venedig ein hübsches Geschenk für ihre Nachgiebigkeit zu erhalten. Sie taten es und der Mann wurde hingerichtet. Als sie ihn über die Reussbrücke und der Reuss entlang zum Richtplatz ausführten, warf er in einem gläsernen Gefässe eine Flüssigkeit oder einen Stein in die Reuss, welche das Wasser weithin ins Kochen brachte. Aber wer statt eines schönen Lohnes nur Spott einerntete, waren die Luzerner. „Ihr habt den Vogel gehabt, warum liesset ihr ihn los," liessen die Venediger ihnen sagen.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.