Aschengrübel und Erdmännchen 

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Einem vornehmen Kinde starben früh die Eltern weg. Sie hinterliessen ihm aber nichts als ein Testament, das sie einem guten Freunde zum Aufbewahren gaben, bis die Tochter gross geworden, und ein wunderschönes Kleid. Da sonst die verlassene Waise keine Mittel hatte, um ihr Leben zu fristen, nahm sie das Kleid in einem Tüchlein mit und suchte sich einen Dienst. Das Mägdlein musste froh sein, endlich in einem gar adelichen Hause Unterkunft zu finden, wo es die niedrigste Küchen- und Stallarbeit zu besorgen hatte. Desswillen nannte man es nur den Aschengrübel. Das schöne Gewand hielt es unter einer Tanne verborgen. Nach einiger Zeit war im Orte Musik und Tanz. Unter die Fröhlichen gehörte vor allen der Sohn des Hauses, in dem Aschengrübel lebte. Von diesem Sohn hatte sie besonders viel zu leiden, seitdem sie ihm einmal bewiesen, dass ein armes, verlassenes Mädchen und strenge keusche Sitte nicht unvereinbare Dinge seien. Jetzt ergriff sie ein unwiderstehlicher Drang auf den Tanzplatz zu gehen. Ihre Meisterschaft gab endlich die Erlaubnis, dass sie gehen dürfe, da Aschengrübel zufrieden sein wollte, wenn sie nur ein wenig zuschaucn dürfe. Sie wusch sich, ging zur Tanne hin, holte ihr herrliches Kleid und zog es an. Wie durch Zauber geschah, dass sie nun eine wunderschöne Jungfrau vorstellte und am Tanze aller Augen auf sich zog. Besonders war es gerade der Vornehmste aller Jünglinge, der sie ersuchte, mit ihm zu tanzen und der sie nicht mehr lassen wollte. Aber so sehr er in sie drang, sie nannte ihren Namen nicht und wusste sich endlich unter einem Vorwande wegzustehlen. Unter der Tanne verbarg sie wieder ihr Kleid und kam ins Haus zurück, wie sie gegangen war, als der arme, unscheinbare Aschengrübel. Jener Jüngling hatte seitdem die Ruhe seines Herzens eingebüsst und da sein Forschen nach der schönen Jungfrau umsonst war, sorgte er dafür, dass wieder ein solcher Tanz wie früher und am gleichen Orte veranstaltet wurde, in der Hoffnung, die Holde möchte wieder kommen. Alles verlief wie das fühere Mal, sie kam. Und dem Jüngling ward es angetan, dass er sie noch lieber haben musste, besonders als er, sich etwas vergessend, Anlass erhielt, die strenge Zucht der Schönen zu bewundern. Und ihn dieser Zwischenfall not und gar um ihre Gunst gebracht hätte. Denn nur aufrichtiges in sich Gehen, das er bewies, rettete ihn von diesem grössten Leid, das ihm begengen konnte, nämlich dass sie ihm für immer den Abschied gab. Ihren Namen aber enthüllte sie ihm noch nicht und entfernte sich wieder ebenso heimlich als das erste Mal. Wie sie die Tanne erreichte, stand ein winziges Männchen da, ein Zwerg, den sie sonst noch nie gesehen. Derselbe tat ungemein freundlich und lobte sie hoch darum, dass sie sich gegen den Jüngling so brav benommen; solle so fortfahren, sie werde dann glücklich werden. Dann ging sie heim und war was vorher und hatte es um kein Haar besser als früher, niemand benahm sich freundlicher gegen sie. Dem Jüngling dagegen kam die züchtig schöne Jungfrau nicht mehr aus dem Sinn und es half kein Trost und kein Vergnügen, bis wieder Tanz war. Er täuschte sich nicht. Die Ersehnte erschien und däuchte ihm viel lieblicher noch als die vorigen Male. Lange sträubte sie sich, ihm ihre Herkunft zu offenbaren. Er werde, wenn er sie kennen oder sehen würde, wie sie sonst bei der gewöhnlichen Arbeit sei, sie gewiss nicht mehr lieben sondern verachten, sagte sie ihm wiederholt. Allein er gab ihr die heiligsten Versicherungen unvergänglicher Liebe und Treue. Und so lernte endlich der Sohn jenes vornehmen Hauses, in dem Aschengrübel diente, diese ärmste Magd seines Vaters als die erwählte Braut seines Herzens kennen. Das entsetzte ihn nicht, er hatte sie gleich lieb und bestimmte gleich den Tag der Hochzeit. Aschengrübel bedingte sich aus, bis dorthin unbekannt zu bleiben und zu leben wie vordem Ihr Bräutigam musste das zugenben und versprechen, den Namen seiner Braut geheim zu halten. Bei jener Tanne, wo das Mädchen unterdessen das schöne Gewand behalten wollte, stand wieder das Männchen, lobte wie früher und sagte, er werde sie hier am Tage der Hochzeit, wenn sie das Kleid hole, auch noch sehen und beschenken. Was war 's, das er ihr alsdann übergab? Das Testament ihrer Eltern, welches sie zur Erbin einer grossen Herrschaft machte. Angtan mit dem Prachtgewande, wie es kein schöneres gab, kam sie zum harrenden Bräutigam, der das Testament von ihr entgegen empfing, und seinen erstaunten Eltern die herrliche Braut in der Person ihres Aschengrübels vorstellte. Wie nun der Bund gesegnet war und die Neuvermählten auf das herrschaftliche Gut der Frau reisten, begegnete ihr auf dem Wege wieder das gute Männchen und sagte, dass er ihr, und zwar insbesondere für sie, noch ein Geschenk in die Schürze zu legen habe. Was tat er hinein und hiess sie sorgsam darauf Acht zu haben? Sie durfte es den Begleitern nicht sagen, um nicht ausgelacht zu werden und liess auch die Sache unvermerkt aus der Schürze fallen, es waren ja nur — Rossbollen. Nur etwas Weniges blieb davon hängen. Wie sie später nachsah — war es blankes Gold.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzrtn 1865, Bei dieser Sage gibt es keine genaue Zuordnung zu einem der fünf Kantone.. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

 

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