Türst

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Durchweg im Kanton Luzern hat der Türst gejagt, meist mit Hunden. In Kriens war die Klausengass, jetzt abgegangen, sein Weg. Da stürzte er mit grossen und kleinen, jungen und alten Hunden vorbei. Der alte Sigrist hat ihn oftmals gehört, und fand einst bei seinem Hause ein Hündchen des Heeres, das zurückgeblieben, liegen. Er nahm 's in seine Wohnung. Den folgenden Abend um dieselbe Zeit kam die ganze Schar wieder und hörte nicht auf um das Haus herum zu lärmen, bis er den andern das Gespänlein zurückgab.

In Horw auf der Almend hörte man einst in den zwanziger Jahren die ganze Nacht durch den Türst fürchterlich tun. Am folgenden Morgen bei Besichtigung jenes Platzes waren viel tausend Hundsfussstapfen sichtbar und lag wirklich ein toter Hund auf dem Platze. Zu den oben bezeichneten Revieren des Türst könnten noch manche gestellt werden. Gar oft haltet er sich an Wälder und Bäche. Er jagte vom Nebenspergwald über den Rothbach bei der Dreifaltigkeitskapelle zwischen Grossdietwil und Altbüron vorbei nach dem Niserwalde. In Egolzwil stürmte er nördlich vom Dorfe dem Buchwald, zwischen Nebikon und Altishofen dem Flüggenwalde zu. Bei Luthern liess er sich in der Ebene des Barren hören und da musste man 3 Schritte nach rechts ihm ausweichen. In Sursee musste ihm des Küngen Haus in der Vorstadt, wie jenes auf Brestenegg, zum freien Durchzug offen stehen. Er jagte der Suren zu. Zu Menzingen (Kanton Zug) gilt der Glaube, dass in Häusern, wo der Gang durchs ganze Gebäude geht und nach beiden entgegengesetzten Seiten Türöffnungen hat, das wilde Heer das Recht des freien Durchzuges habe. An einigen Orten sollen Bilder und Kreuze wegen dem Türst errichtet sein. So ist zu Zinzerswyl, Gemeinde Buttisholz, an einem Bauernhause eine uralte Tafel, ein Muttergottesbild vorstellend, als Schutz vorhanden gegen den Türst, der ehedem hier vorbeijagte. — Ein ehemaliger Besitzer habe einst die Tafel weggenommen, aber sofort habe die wilde Jagd das Haus umtobt und unter das Vieh sei der Bresten gekommen. Nachdem er sie wieder hergestellt, sei es ruhig geworden. Im Dorfe Grossdietwil ist an einem Scheunentor ein altes hölzernes Kreuz befestiget, weil der Türst hier durch das Tenn gejagt habe. Der Türst pflegte früher in abscheulicher Weise über die Bergegg zwischen Werthenstein und Entlebuch hinweg zu jagen. Als ein Rudel grosser und kleiner Hunde trieb er dieses Unwesen so lange, bis man drei Kreuze, von deren einem aus man je das nächste erblicken kann, errichtet hat. Von da an ist er ausgeblieben und es ist schon sehr lange seither.

Früher hiess der Türst einfach auch Nachtjäger und galten seine Hunde für dreibeinig, ein Schrecken für das Vieh auf den Weiden.

„Item so hört man vielmolen in unsern Bergen und den dicken Wälern den Nachtjeger, so ein bös Gespenst ist, nachts jagen mit Hunden, Hornblasen und anderm Gfert, wie es die Menschen uf dem Gjägd bruchent. Die Hund hat man etwan gsehen hoppend uf 3 Beinen dahar, bellend der Wys heisern und erschrockenlich. Ist dem Vych fast gfarlich dann sy davor gar schüch, verstöubt und erkranket werden."

Aber nicht bloss Hunde waren bei der Türstjagd. Oft dachte man sich auch Schweine dabei. In Escholzmatt bestand die Herde vorzugsweise aus solchen, die man „`s Irrlig`Spor“ nannte und zwar deswegen: Wer in die Spuren trat, wo sie durchgegangen, ging, wie man meinte, so lange in die Irre, bis ihm entweder ein Bekannter den Taufnamen zurief, oder bis endlich der arme Irrende ermattet hinsank und den Geist aufgab, wenn ihm nicht vorher menschliche Hilfe zu Teil wurde.

Der Türst ist wie an gewisse Strassen und Räume, so auch an die Zeit gebunden. Er kann in der Nacht nur von einer Betglockenzeit zur andern fahren. Mag eines seiner Hündchen aus Müdigkeit nicht weiter und wird es am Morgen vom Glockenklang überrascht, muss es liegen bleiben bis wieder am Abend zum Beten geläutet ist. Jn der Huben, einem Hof bei Grosswangen, fanden die Knechte eines Morgens 5—6 dergleichen Hündchen auf dem Miststocke liegen wie tot. Einer schickte sich an, das schönste, eben weil es so schön sei, mitzunehmen in die Scheune. Der andere wehrte ab, doch vergebens. Das Hündchen ward in den Stall getragen und hingelegt, denn es gab kein Lebenszeichen. Aber wohl, nach Betglocke da ging es los. Da kam der grosse Hund wütete und schrie: „Gim m'r mis Gragöri use, gim m'r mis Gragöri use", und sie hatten keine Ruhe bis sie 's taten.

Wie beim wütenden Heere, so geht auch der Türstjagd ein warnenedes Wesen voraus. Ein Mädchen, das zu Sursee in der Sonne diente, wollte eines Abends heim zu den einige Stunden entfernt wohnenden Ältern. Ausserhalb dem Städtchen, wo der alte Weg von der Zell in die Hauptstrasse mündete, kam der Türst daher. Es sah nichts, sondern hörte nur vorweg die Stimme: „Drei Schritt rechts uf d' Site!" Der Zug ging dann vorwärts gegen die Grabenmühle, wo sie in einem benachbarten Hause immer die Haustüre offen behalten mussten, und von da nach dem Morental gegen Knutwil hin. Das hat als alte Frau die Person selbst, der dies begegnet ist, mir erzählt.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

 

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