Baschi Frech

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Dieses ereignete sich vor mehr als dreihundert Jahren. Auf einer Alp im Tale Meien, Aistner Alp genannt, sennete viele Jahre ein gewisser Baschi Frech, der in der Tat ungemein frech war und nie etwas fürchtete. Es war ihm wohl bekannt, dass während dem Winter in seiner Alp auch gesennet werde und zwar von solchen, welche im Leben als Sennen ihre Sache nicht recht gemacht hatten, sei es, dass sie Molken oder das Vieh vernachlässigten, oder einem der Mithaften mehr zuschöpften als dem andern. Diese mussten nachher im Winter dort wandeln. Alle Älpler wussten zudem, dass wenn einmal die Alphütte im Herbste verlassen sei, man nicht mehr in dieselbe zurückkehren dürfe, bis im Frühling, sonst gehe es einem dass Gott erbarm und das glauben sie noch jetzt im Berner Oberland.

Aber Baschi Frech hatte einmal in seiner Alp etwas vergessen, was er notwendig brauchen sollte. Da sagte er zu vielen seiner Kameraden: Er müsst wieder in die Alp, ob nicht einer oder zwei mit ihm wollten; doch um hundert Kronen ging keiner. Der Baschi hingegen, der ging dennoch mutterseelenallein. Alle hielten ihn für verloren und sprachen in den Abendstuben von der entsetzlichen Frechheit. Im Gehen sagte er noch: Die dort werden ihn jetzt einmal noch nicht fressen. Es war schon spät, als er in die Alp kam und blieb selbigen Abend dort über Nacht. Er ass etwas und legte sich in die gewöhnliche Gutsche, in welcher er im Sommer auch sein G'lieger hatte, obwohl nur noch altes Heu darin geblieben war. Es war kalt und feucht und unlustig; doch eine Nacht wird mich nicht umbringen, dachte Frech. Er schlief nicht gut, nur aus Müdigkeit fielen ihm bisweilen die Augen zu. Aber holla! Gegen 12 Uhr hörte er schon von weitem eine Schar Sennen und Alpknechte in den Holzschuhen gegen die Hütte daher trappen. Baschi Frech dachte bei sich selbst: Das ist nicht zum Schlafen aber zum Aufpassen, was da gespielt wird. Sie schlugen die Türe auf, unter schrecklichem Gerassel traten sie in die Hütte, redeten kein Wort, fingen an zu sennen, hängten das Kessi an, feuerten darunter, trugen Milch aus dem Speicher hervor und warfen sie in das Kessi; es rauschte und schäumte und sie ankten und machten Käse, sehr viele, und alles ging schnell. Baschi hatte ihnen gut aufgpasst und manchmal stellten sich seine Haare zu Berge, aber er wehrte sich gegen alle Furcht. Jetzt hatten die Sennen dreierlei Schotten, rote, grüne und gelbe. Zu seinem grössten Erstaunen riefen sie ihm: Er solle herunter kommen und mit ihnen Schotten trinken. Er ging frech hinunter zu den Wintersennen, denen er durch die Rippen hindurch sah. Aber Baschi Frech war nicht verlegen. Da fragten sie ihn, von welcher „Suffi" er wolle? Er antwortete schnell, frech und laut: Er wolle von der grünen; und er trank, aber sie war nicht so gut wie jene, die er selbst gemacht hatte. Da sagten sie ihm, es bekomme ihm wohl, dass er von der grünen begehrt habe, sonst wäre es ihm schlecht genug ergangen. Einer von den Unheimlichen ging und klopfte den Sauen und die Sauen kamen und hatten einen Lärm. Baschi ging wieder auf sein Lager und liess sein Messer dort liegen, wo er Schotten getrunken; denn er hatte Brot aus dem Sacke genommen gehabt und zu der Schotte gegessen. Einer von den Wintersennen nahm das Messer des Baschi und beschnitt damit die Käse und als er dies getan hatte, so stiess er das Messer dem Baschi in ein Bein, dass es tief drinnen steckte. Der Baschi musste mit dem Messer im Bein am Morgen früh nach Hause gehen, nachdem die geisterhaften Sennen verschwunden waren. Aber niemand, kein Doktor konnte ihm das Messer aus dem Bein bringen. Die Doktoren von Altdorf gaben ihm den Rat, er soll nochmals dorthin gehen und wenn dann dieser wieder Käs beschneide, so werde er wohl sein Messer neuerdings brauchen. Sobald der Geist dann das Messer ihm wieder aus dem Bein zöge, soll er sich augenblicklich davon machen. Baschi Frech befolgte diesen Rat, ging nochmals fort in die Alphütte und wurde von dem Messer befreit, als der Geist wieder die Käse beschnitt und eilte schnell davon.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

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