Der stolzen Tochter eines reichen Junkers war ein rechtschaffener Jüngling, der um sie freite, nicht gut genug, weil er nicht vom Adel war. „Lieber“ - schwur sie – „ewig mit ihrem Golde in den Felsen des Schrattens vergraben sein, als diesen nehmen." Ihr geschah, wie sie gewünscht. Ewig muss sie in der Schrattenhöhle ihren Schatz bewachen, es sei denn, dass jemand kühn genug ist auf Gefahr seines Lebens hin das Rätsel der verwünschten Jungfrau zu lösen. Aber dazu braucht es Herz. Sie erscheint nur am hohen Donnerstag, wenn in der Kirche zum letztenmal beim Gloria die Glocken geläutet werden. Wer dann beim Eingang der Höhle ist, kann zu ihr gelangen; denn nur zu dieser Stunde sitzt sie am Eingang der Höhle, kämmt das goldene Haar und zählt ihr Geld. Wer jetzt ihren verborgenen Hort entheben will, muss unter einem Mühlstein, der an einem Spinnfädchen hängt, hindurch, während die Jungfrau oder ein Geist mit einer Schere den Faden entzwei zu schneiden droht. Und hat einer auch dieses Abenteuer bestanden, so wartet dann noch die eben so gefährliche Prüfung auf ihn, dass er das schwierige Rätsel der Jungfrau, das sie ihm hinten in der Höhle, beim Brunnen sitzend aufgibt, löse. Kann er es nicht, so ist er verloren. Mehrere schon sind hineingegangen, aber nicht mehr lebendig herausgekommen.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.