Gegenüber der Hungerlialp jenseits des Turtmannbaches liegt in einer kleinen Ebene ein Alpdörfchen, Zer Bitzen genannt. In diesem Dörfchen soll sich einmal laut Sage folgende Geschichte zugetragen haben:
Ein Jäger hatte sich verspätet, nach Hause zu gehen, und war gezwungen, die Nacht dort in einer Wohnung zu verbringen. Zur Mitternachtszeit hörte er die Türe des Nebenstübchens aufgehen; eine Anzahl Tänzer und Tänzerinnen drehten sich unter schallender Musik im Kreise. Der Jäger sah diesem lustigen Treiben eine Weile zu, indem er durch ein in der Mittelwand angebrachtes Fensterchen schaute; endlich trat eine schön gekleidete Frau ans Fenster und hielt dem Jäger einen goldenen Becher hin. Er nahm ihn, und sofort verschwand die Tanzgesellschaft.
Bei Tagesanbruch verliess der Jäger seine Nachtherberge und ging nach Hause. Den kostbaren Becher aber wollte er verwerten; er ging bei nächster Gelegenheit zu einem Goldschmied und bot ihm den Becher zum Verkaufe. Allein der Goldschmied, den Becher betrachtend, fragte den Jäger, wo er ihn erhalten habe und auf welche Weise; denn diesen Becher habe er selber verfertigt, und er trage die Nummer und den Namen eines Herrn, der den Becher bestellt habe. Der Jäger erzählte ihm, wie er dazu gekommen. Goldschmied und Jäger begaben sich sogleich zum Eigentümer und erklärten ihm die Begebenheit. Verblüfft und bestürzt zahlte dieser dem Jäger den Wert des Bechers.
TURTMANN
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch