Wenn der Wanderer von Turtmann nach Meiden geht, erblickt er etwa zehn Minuten oberhalb Tuminen im Birch auf einem grossen Felsen dreizehn Fussstapfen deutlich eingeprägt. Hieran ist folgende merkwürdige Begebenheit geknüpft:
Pater Schulzki, Rektor von Ergisch 1811-1819, ging eines Tages nach Meiden, um die heilige Messe zu lesen. Es war an Maria Geburt, am Patronatsfeste der dortigen Kapelle. Eine Menge Volk hatte sich, wie üblich an diesem Tage, von nah und fern hier eingefunden. Aber Pater Schulzki wollte nicht kommen. Es war schon Mittag, und noch immer wartete die Schar der Gläubigen auf die Ankunft des Priesters. Endlich kam Pater Schulzki mühsam in Meiden an. Er war ermattet, bleich und blass; an seinem Angesichte konnte man deutlich merken, dass ihm irgendein Missgeschick zugestossen sei. Auf die Frage, was die Ursache seiner so späten Ankunft sei, gab er keine Antwort. Erst als er nach beendetem Gottesdienst sich etwas erholt hatte, erzählte er mit sichtlich erregter Miene seinen schweren Gang ins Tal.
«Noch nie», sagte er, «habe ich erlebt, was mir heute auf dem Wege hierhier vorgekommen ist. Ich wäre ganz gewiss nicht weiter gekommen, wenn die Mutter Gottes nicht geholfen hätte. Als ich nämlich den steilen Weg von Tuminen heraufkam, hörte ich plötzlich ein unheimliches Geräusch; ich blieb stehen und schaute nach, was das zu bedeuten habe. Doch da stellte sich mir in einiger Entfernung eine furchtbare Menschengestalt entgegen. Das pechschwarze Angesicht, die flammenden Augen, das wildverworrene Haar, aus dem zwei hakenförmige Hörner hervorstachen, machten mir das Blut in den Adern stocken. Wie nun diese Schreckensgestalt auf mich zukam, da wankten mir die Beine, und ich fiel um. Doch bald beherrschte ich mich wieder, machte das Kreuzzeichen und redete diesen bösen Geist also an: "Im Namen Gottes frage ich, wohin willst du und was hast du vor?" Der Dämon sagte unter drohenden Gebärden: "Ich will in ein ungebundenes Fass." – "Was hat das zu bedeuten?" fragte ich weiter. "Es ist im Tale drinnen eine Frau, die keinen Ehering trägt (das heisst ein ausgelassenes Leben führt) und die will ich in Besitz nehmen", gab der Teufel zur Antwort.
Bei diesen Worten ging ein Schaudern durch meine Glieder. Diese höhnische Miene, diese drohenden Gebärden boten einen entsetzlichen Anblick. Dennoch raffte ich meine Kräfte zusammen und beschwor den bösen Geist im Namen des dreieinigen Gottes. Auf dieses hin wich der Dämon mit einem weiten Sprung zurück und verschwand keuchend und fluchend über die Halde hinauf, dass es unter seinen Füßen wie Feuer sprühte.
Als ich nach langer Anstrengung meinen Weg weiter verfolgte, um wenn möglich noch in Meiden die Messe zu lesen, sah ich in der Nähe mehrere Fussstapfen im Felsen eingedrückt.»
Die Leute hörten dem ehrwürdigen Pater ängstlich zu, und Schaudern überfiel die Anwesenden. Heute noch sieht man im Birch dreizehn Fussstapfen eingeprägt und nennt sie die Teufelstritte.
TURTMANN
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch