Beim Risetstadel, etwa eine halbe Stunde unter Guttet, soll oft ein grüner Mann gesehen worden sein, der den Vorübergehenden manchen schlimmen Streich spielte.
Von der Dalabrücke im Rumeling bis zum Riset führte er manchen irre und machte ihn geisteskrank oder brachte ihn gar jämmerlich ums Leben. Eine vornehme Frau aus Leuk, die mit ihrem Töchterchen nach Thel wallfahrten wollte, verlor ihr Kind unbemerkt von ihrer Seite und fand es erst nach drei Tagen im Walde jämmerlich zugerichtet.
Vor vielen Jahrzehnten erzählten die Leute oft von diesem Spuke. Auf der Bergstrasse, die durch den Wald zur Wallfahrtskapelle ins Thel führt, hörte man hin und wieder einen lieblichen Gesang, der die Leute beirrte; bald sah man am hellen Tage ein leichtfüssiges Männlein mit kurzem, grünem Fracke, angeschnallter Reisetasche und einem zierlichen Federbusche auf dem Hut; es gaukelte die Vorübergehenden an, bot ihnen aus einer Schachtel niedliche Zuckerbrötchen an und trachtete sie von der Strasse abzuleiten. Wer das Gebotene verkostete, wurde halb närrisch und war kaum mehr aus dem Walde zu bringen; und jeder, der den Spuk einmal gesehen oder gehört hatte, wünschte ihn noch ein zweites und drittes Mal zu sehen und zu hören.
So erging’s einer sonst braven Ehegattin aus Leuk, der das grüne Männlein eines Tages den Ehering abforderte. Sie beteuerte, sie habe keinen mehr, sie habe ihn schon lange verloren. «Geh zurück», antwortete der Grüne, «und suche ihn in deinem Bette, da wirst du ihn finden.» Und wirklich kam der Ring im Bettstroh wieder zum Vorschein. Das Weib musste aber am Überbringen des Eheringes mit Gewalt gehindert und deshalb eingesperrt werden.
Der damalige Pfarrer Loretan rühmlichsten Andenkens glaubte hier einschreiten zu müssen. Er suchte darum beim Bischof die Bewilligung und im Stifte Einsiedeln Unterweisung, den Geist zu bannen. Als er, mit dem Nötigen wohl ausgerüstet, die Burg Leuk verliess, schien der ganze Berg unter grausem Gekrache bersten zu wollen. Er liess sich aber, laut erhaltener Weisung, nicht abschrecken und stieg mutig den Berg hinauf. Bald stellte sich auf sein Gebet das grüne Männlein in seiner gewöhnlichen Gestalt ein. Es bekannte, es sei der Satan und heisse "Legion"; den Spuk habe es darum getrieben, um die Leute allerhand alberne Urteile fällen zu lassen. Es trete nun ab, werde aber später wieder kommen.
GUTTET
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch