Man erzählt, in Unterbäch habe einst ein Meier gelebt. Im Unterwallis drunten soll er seines Amtes gewaltet haben, und zwar wie ein richtiger Vogt und Zwingherrr.
Eines Tages starb der Meier, und an einem wüsten, stürmischen Wintertage war sein Begräbnis. Trotz Sturm und Wetter stand aber ein Hahn auf dem Hausdache und krähte und lärmte, ganz besonders als die Prozession kam, um die Leiche höchst feierlich abzuholen. Niemand konnte das fremde, unheimliche Tier zum Schweigen bringen oder verscheuchen.
Wie die Träger den Sarg vor dem Hause auf die Schultern nehmen wollten, da ging plötzlich das Fenster neben der Haustüre auf, und gackernd und schreiend sei da eine Henne heraus auf die Bahre geflogen. Sie habe noch eine Strecke des Weges auf der Leiche gescharrt und gewütet, bis man plötzlich wieder nichts mehr gesehen habe. Nur am erwähnten Fenster, auf dem Hausdache oder sonst in der Nähe des meierschen Hauses habe man die fremde, unheimliche Henne noch oft bemerken können.
Das Volk sah in diesen auffälligen Geschehnissen Strafgerichte Gottes für die Grausamkeiten des Meiers. Während seiner Amtszeit im Unterwallis soll ihm ein junger Bursche, den er auf frischer Tat ertappte, Eier gestohlen haben. In seiner Wut soll der Gestrenge den Jungen in seine Stube geschleppt haben, wo er ihm die rechte Hand mit einem schweren, breiten Eisenhammer auf dem niedern Kachelofen zerquetschte, so dass sie verdorrte und unbrauchbar wurde. Wie der Arme da heulte und jammerte, so schrie und tat die Henne auf des Meiers Sarg.
UNTERBÄCH
Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch