Der Teufel als Schwager

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Dies hat vor dreissig Jahren eine alte Spinnerin zu Escholzmatt erzählt. Ein junger Handwerksbursche nahm, müde von der Wanderschaft, in einer Herberge Quartier und blieb allda mehrere Tage, indem er nicht bedachte, dass seine erschöpfte Börse dabei nicht bestehen werde. Es war aber schon einer, der weniger leichtsinnig war und eines Abends die Rechnung machte, der Wirt. Morgen - hiess es - muss bezahlt werden. So kam eine Nacht voll banger Sorgen für den Zecher. In dieser Not trat eine schwarze Gestalt zu ihm ans Bett und gab sich sogleich schlecht und recht zu erkennen als - den Teufel. Sei aber nicht da, sagte er, ihm zu schaden, sondern zu nützen, wenn ihm der Bursche ebenfalls zu einem Schick verhelfen wolle. Es gehe ihm dann deshalb weder ans Leben noch an die Seele. Vielmehr, recht gut soll er 's haben und nach Verfluss einer gewissen Zeit noch besser bekommen. Ja, nicht einmal ans Sterbbett wolle er ihm nahen. Was der Teufel verlangte war nur dies: Der Mensch sollte sieben Jahre lang in diesem Wirtshaus bleiben und während dieser Frist nie sich waschen, kämmen, Haar und Nägel beschneiden. Dagegen sollte er zu essen und zu trinken haben vollauf und immer Geld wie Laub. Und nach den sieben Jahren sollte er ganz frei sein wie vor und ehe und im Geringsten vom Teufel nichts zu fürchten haben, wie gesagt nicht einmal am Sterbebett soll gegenteils immerfort Geld genug erhalten. Was der Leichtsinn nicht tut - der Handwerksbursche trug kein Bedenken mit dem Bösen den Pakt einzugehen, obschon er nicht wusste, was der eigentlich im Schilde führe. Fünf, sechs Jahre waren endlich um und der Mensch sah anfangs gräulich aus. Gut hatte er 's, das ist wahr, recht gut. Aber dafür war er wüst wie d'Sünd in seinem Äussern.

Jetzt kam einmal zum Wirt ein Nachbar, der Kaufmann. Es gelang ihm schlecht, die nagende Sorge des Herzens zu verhüllen unter das kaufmännische Gesicht. Der Wirt, als Freund, zeigte Teilnahme und jener entdeckte sein Leiden. Wie es geht, grosse Verluste bedrohten ihn mit dem Ruin. Nirgends wusste er die fehlende Summe aufzutreiben. Dem Wirt blitzte ein rettender Gedanke. Bei mir, sprach er, wohnt seit mehr denn sechs Jahren ein sonderbarer Kerl. Er ist sehr gutmütig, gefällig, freigebig, lässt sich nichts abgehen, aber sieht anfangs aus wie der „Gott b'hüt uns davor". Könnte es anders sein, wenn einer immer an sich trägt, was ihm anklebt und wachsen lässt, was wächst. Probier 's mit ihm, Geld hat er so viel er will. Für deine Töchter ist er wohl auch nicht unempfindlich, denn ich hab' schon manchmal bemerkt, dass seine Augen die Richtung nach deinem Haus nicht ungern nehmen, und dabei tun, als ob sie etwas erspähen wollten. Der Mensch kann zu vielem sich entschliessen, wenn er in Not ist. Zwischen dem Kaufmann und dem Handwerksburschen kam es in der Tat zu einem Vertrag. Der letztere spendet Geld genug, wenn er eine von den drei Töchtern heiraten will. Zu Hause eröffnet diesen der Vater seinen Vorschlag. Freilich die beiden ältern Mädchen hatten bisher schon manche Paartie ausgeschlagen, denn bald war der junge Herr nicht reich und witzig, bald nicht schön und galant genug. Das wusste der Vater wohl und nur unter grosser Sorge führte er die Erste und Älteste hinüber zu dem seltsamen Freier, dessen Geld der Schönen anständig gewesen wäre. Wie sie ihn aber sah, floh sie auf und davon wie vor dem bösen Geiste, indem sie rief: „Lieber will ich ins Wasser springen, als den nehmen." – Die zweite machte es nicht anders und schmähte im Gehen: „Lieber hänge ich mich auf, ehe ich diesen heirate.“ Beide machten auch der Dritten eine grauenvolle Schilderung von der Gestalt. „Nun, du mein liebes Kind“, sprach jetzt der Vater zur Jüngsten, „bist du meine allerletzte Hiffnung. Wenn auch du ihn nicht nimmst, bin ich verloren.“ Voll Kindesliebe sprach sie entschlossen: „Vater ich nehme ihn.“ Sie ward dem wüsten Manne vorgestellt. Dieser fand an ihr Wohlgefallen. Sie selbst hielt ihre Augen stets zu Boden geschlagen, sie schaute ihn gar nicht an, aber versprach wieder voll Entschlossenheit, ihm sich zu vermählen. Die Hochzeitfeier ward bestimmt und das nötige Geld bezahlt. Inzwischen waren die sieben Jahre des Paktes um. Da fuhr eines Tages ein schöner, schmucker, junger Herr mit prächtiger Karosse, von Gold und Edelsteinen funkelnd vor dem Hause des Kaufmanns vor und gab sich den erstaunten Bewohnern zu erkennen als - den Bräutigam der jüngsten Tochter. Welch ein Jubel für diese. Wohl hatte sie ihren Freier jetzt erwartet, aber das edle Bewusstsein, ein grossmutiges Opfer kindlicher Liebe zu werden, hatte nicht vermocht alle Wolken des Kummers aus ihrem Antlitze zu verscheuchen. Jetzt wohl flohen diese, wie Nebel an der Maisonne. Die Hochzeitsleute schritten endlich zur Kirche und dann wieder in stattlichem Zuge heraus, nur die beiden ältern Schwestern waren aus Ärger zu Hause geblieben und - hatten sich beide entleibt, die eine am Nagel, die andere im Wasser. Und wie der Bräutigam zum Kirchenportal heraustrat, da erblickte er auf einem Dache vor sich nach sieben Jahren zum erstenmal wieder - den Teufel, der voll höllischer Schadenfreude ihm die Absicht seines Bündnisses andeutete mit den Worten:

„Weist, Schwager, ä so chas cho;

Du hest eini und i ha zwo."

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

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