Wer gewaltsam ums Leben kommt, muss nach dem Tode so lange als Geist „wandeln", bis die Zahl der Jahre, die er sonst gelebt hätte, voll ist. Oft ging ein etwa zwanzigjähriger Jüngling im hintern Entlebuch zu einem „Gumpen" um zu baden, der aber je nach Regenwetter oder Tröckene verschiedene Tiefe hatte. Man riet ihm manchmal zur Vorsicht. Nichts destoweniger ging er einst hin, da viel Wasser im Gumpen war. Kaum darin, sank er unter und ward nicht mehr gesehen, bis nach einigen Tagen seine Leiche gefunden wurde. Seitdem aber wandelte sein Geist bei jener Stelle. Er wurde angefragt und gab zur Antwort: 50 Jahre lang müsse er wandeln, weil sein Lebensalter sonst auf 70 Jahre gestiegen wäre. Man erbarmte sich seiner und um ihn vor Wind und Wetter zu schützen, bauten sie dort für ihn ein Häuschen. Es ist nicht lange seither, da ging ein Jüngling dort vorbei und erzählte im Dorfe Marbach, dass draussen bei jenem Gumpen in den Flühnen hinten einer aus einem Loch geschaut, welcher ihm aber auf wiederholtes langes Fragen keine Antwort gegeben habe. Als ihm die Leute sagten, wer das gewesen, durchlief ihn augenblicklich ein Schauder. Er legte sich ins Bett, bekam einen „viertelmäss" grossen Kopf und konnte vor fünf Wochen nicht wieder aufstehen. Seitdem hatte er auch ein Weh, das sich oft bösartig wiederholte.
Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.